Liebe macht blind - manche bleiben es
spätestens dann gibt die Ehefrau nach und macht dem „Schmollwinkler“ alle Zugeständnisse, die es braucht, um aus ihm wieder einen Menschen zu machen, mit dem Zusammenleben möglich ist. Und sie nimmt es sogar hin, dass der aus seinem Schmollwinkel Heimgekehrte sich als der Nachgebende sieht und auch als solcher gesehen werden will!
Wohin geht’s denn heuer?
Familien, in denen alle Mitglieder Sehnsucht nach einem gemeinsamen Urlaubsziel haben, sind gut dran. Familien, in denen alle Mitglieder so weit erwachsen sind, dass bei Unvereinbarkeit der Wünsche getrennte Reiseziele angepeilt werden können, haben auch keine Probleme.
Aber wenn in einer Familie, bestehend aus Papa, Mama, zehnjährigem Sohn und dreizehnjähriger Tochter, die Urlaubswünsche enorm verschieden sind, kann die angeblich „schönste Zeit im Jahr“ zum Höllenverdruss werden.
Burli will wieder auf den Bauernhof, wo man voriges Jahr gewesen ist. Weil er dort auf dem Traktor fahren darf und mit dem Sohn vom Bauern ein Baumhaus bauen will.
Mädi sagt, wenn man sie zwingt, wieder in dieses „Nest“ zu fahren, wird sie trübsinnig. Ans Meer will sie! Exakt an den Strand, wo der „tolle Typ“ aus der 4c in der Sonne braten wird.
Papa möchte, so wie sein Sohn, in der Heimat bleiben, aber nicht in der flachen Gegend, wo sich das „Nest“ befindet, sondern dort, wo Bergesgipfel hochragen, die man erwandern kann.
Mama will nichts erwandern, nicht am Strand liegen und nicht Traktor fahren. Mama träumt von einer Ungarnreise, von Örtchen zu Örtchen, wo mutterseitliche Verwandte leben, die sie endlich kennen lernenwill.
Setzt Papa seine Berge durch, verbindet sich der Nachwuchs in rarer Einigkeit zu einer Verdruss-Gemeinschaft, die bereits nach zehn Wanderminuten wegen angeblicher Druckstellen an den haferlbeschuhten Fersen am Wegesrand in Streik tritt.
Setzt Mädi ihr Meer durch, legen sich Papa und Burli am zweiten Urlaubstag einen Sonnenbrand zu und mit diesem zu Hotelbett und tun, als ginge es ihrem Ende zu.
Obsiegt Burli mit seiner „Nest“-Sehnsucht, verfällt Mädi in totale Depression und Papa mit ihr, indem er unentwegt zum Horizont starrt, wo er, in unerreichbarer Ferne, Gipfel ahnt.
Und wenn Mama ihren Wunsch durchsetzt? Ach, die versucht das erst gar nicht. Die spart sich lieber ihrer Nerven Kraft, damit im Urlaub dann so reichlich davon vorhanden ist, dass sie die zwei „Urlaubsverlierer“ ohne Zusammenbruch durchsteht.
Ein Urlaub für Mama in der Nervenheilanstalt wäre zwar eine friedliche Sache, die Mama als Alternative zu Ungarn ganz lieb wäre, aber ohne Mama macht ja dem Rest der Familie weder Strand, noch „Nest“, noch Gipfel richtig Spaß!
Vorsicht bei der Rücksicht!
In einer Ehe – das erfährt man spätestens beim Trauungsakt von der standesamtlichen Person – haben die Partner Rücksicht aufeinander zu nehmen. Und wer dort sein „Ja“ haucht oder rausposaunt, nimmt sich in dem Moment wohl auch redlich vor, diese Rücksicht zu tätigen; mag kommen, was da wolle!
Gut geht es sorglosen Leuten, die im Laufe der Jahre ein bisserl vergessen, was sie sich auf dem Standesamt bezüglich Rücksicht vorgenommen haben.
Wesentlich härter ist der Alltag derer, die zu ihrem Rücksichts-Vorhaben eisern stehen. Der Mensch will nämlich für gute Taten – und Rücksichtnahme gehört zu diesen – gelobt werden. Aber je perfekter Rücksicht auf den Partner geübt wird, umso weniger bemerkt dieser, dass sie überhaupt geschieht, und sieht keine Veranlassung zum Lob.
Seit fünfzehn Jahren etwa schaltet Frau M. jeden Abend, wenn sie hört, dass Herr M. die Wohnungstür öffnet, den Fernseher aus. Obwohl zu diesem Termin seit fünfzehn Jahren Serien laufen, die sie gern sieht. Sie tut es aus Rücksicht auf Herrn M., der es nach der Arbeit friedlich-still mag.
Aus Rücksicht auf ihn sagt sie nie, dass sie ans Meer fahren will. Weil er die Berge liebt! Aus Rücksicht auf ihn lädt sie ihre Schwester nie ein. Weil ihn die nervt! Sie kauft keine rosa Vorhänge, weil er Rosa nicht mag. Sie hat sich sogar die wiehernde Art zu lachen abgewöhnt, weil ihn die gestört hat.
Und wenn er am Sonntag lang schlafen will, liegt sie still neben ihm, weil er einen „seichten Schlaf“ hat und ihn das Quietschen der Matratze – so sie sich erheben tät – munter machen würde. Alles aus Rücksicht!
Herr M. aber ist harmlos der Meinung, dass seine Frau am TV-Vorabendprogramm kein Interesse hat und grüne Vorhänge liebt, dass
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