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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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du, du siehst aus wie ein Junge und verhältst dich wie ein Greis! Von wegen, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm! Für mich bist du nicht mein Sohn!«
    »Das war nur gerecht, Alter! Bei alldem, was du Mama angetan hast! Sie hätte tausend Gründe gehabt, mich mit einem anderen zu zeugen!«
    Dazu muss man sagen, dass Jos Vater ein unverbesserlicher Frauenheld war. Seit einer halben Ewigkeit von »Mama« getrennt, die inzwischen in einer Hippiekommune im Luberon lebte, sammelte der Alte Lolitas wie andere Briefmarken.
    »Ich hasse alte Weiber!«, sagte er. »Ich mag keine Frauen, die eine Vergangenheit haben! Die nerven den ganzen Tag mit ihren Erinnerungen an die guten alten Zeiten. Ein junges Mädchen hat alles noch vor sich, sie ist wie ein unbeschriebenes Blatt.«
    Jo liebte seinen Vater, aber tot wäre er ihm lieber gewesen. »Ein guter Vater ist ein toter Vater!«, lautet ein Sprichwort, und wie die meisten Kinder von Künstlern war auch er überzeugt, dass er zu nichts käme, solange sein Vater aktiv war.
    Obwohl der Alte in künstlerischer Hinsicht keine große Bedrohung für Jo darstellte. Er war ein zweitklassiger Schauspieler ohne ausgeprägten Charakter, dafür allerdings ein Schauspieler, der spielte, was in einer Zeit allgemeiner Arbeitslosigkeit nicht selbstverständlich war. Er war kein guter Schauspieler, hatte noch nie eine Hauptrolle gehabt, aber er strotzte nur so vor Energie, gab auf der Bühne sein Bestes und verspeiste nach der Vorstellung ein Rumpsteak mit Knoblauchkartoffeln, denen zum Nachtisch eine Ile Flottante und drei Cognacs und anschließend bis zum frühen Morgen eine Runde Bettgymnastik mit der Soubrette aus den Marivaux-Stücken folgten.
    Er hatte die fünfzig überschritten, doch eine ungeheure Vitalität bewahrt. Und seine Augen, die von einem ganz hellen Blau waren, waren die eines kleinen Jungen geblieben.
    »Du gehst mir auf die Eier, Junge, mit deiner Marotte mit dem Schreiben! Für wen hältst du dich? Glaubst du wirklich, du hättest was zu sagen? Albernes Zeug! Du wirst dein ganzes Leben lang unglücklich sein! Schriftsteller? Das ist wie mit dem Präsidenten der Republik – jeder will es sein, kaum einer schafft es, und die, die es nicht schaffen, verbittern und hassen irgendwann die ganze Welt. Mach es wie ich! Ich habe nichts zu sagen! Ich interpretiere! … Ich interpretiere, was die anderen geschrieben haben, und dabei geht es mir ausgezeichnet.«
    Wie ein Kind, das wegen seiner schlechten Noten ausgeschimpft wird, senkte Jo den Kopf. Und der Alte, der einen doppelten Schluck Cognac hinunterspülte, fuhr mit seiner dröhnenden Stimme fort: »Warum um Himmels willen glauben manche Leute, dass sie eine Botschaft zu übermitteln haben, für was halten die sich?«
    Nach derartigen Gesprächen mit seinem Vater war Jo stets schrecklich niedergeschlagen. Und dem Alten ging es nicht besser. Kaum dass er seine Predigt beendet hatte, machte er sich Vorwürfe, weil er sich so hatte gehenlassen. Er wünschte sich so sehr, dass sein Sohn aus der Misere herauskäme.
    ––– ¤ –––
     
    An solchen Abenden, an denen sein Vater ihm eine Strafpredigt hielt, ging Jo zu Fuß nach Belleville. Er schlenderte am Canal Saint-Martin entlang und hockte sich auf die Rampe der Drehbrücke vor dem legendären Hôtel du Nord.
    Und wenn er es einfach machen würde wie Hemingway? In einer Zeitschrift hatte er gelesen, dass Hemingway sich deshalb eine Kugel aus seinem Karabiner verpasst hatte, weil er keinen mehr hochkriegte.
    »Wenn ich keinen mehr hochkriege«, soll er einem Freund ein paar Tage vorher anvertraut haben, »wozu soll ich dann noch weiterleben.«
    Ich kriege noch einen hoch, dachte Jo, während er das dunkle Wasser des Kanals betrachtete, aber abgesehen davon, habe ich nicht viel auf die Beine gestellt. Hemingway dagegen hatte, ehe er auf den Abzug drückte, zehn schöne Romane geschrieben, den Nobelpreis bekommen und die Hälfte der Hollywoodstars der Fünfziger flachgelegt.
     
    Um in Ruhe schreiben zu können, hätte er einen Haufen Geld verdienen müssen, um weit weg fahren zu können, in ein großes Haus im Kolonialstil, in dem er – weit weg von allem – sein Arbeitszimmer und einen schwarzen Diener hätte, der ihm Daiquiris servieren und seine Manuskripte an den Verleger zur Post bringen würde. Und eine Nutte, die abends käme, um ihn unter den Palmen verstohlen zu streicheln, und ein Motorboot, damit er zwischen zwei Romanen auf Hochseefischfang gehen

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