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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jérômel Savary
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herauszukommen. Er hob abwechselnd Geld von Annes und von seinem Konto ab. Lief es mit einem Konto schlecht, hob er vom anderen ab und umgekehrt, wobei er die unzähligen Kreditmöglichkeiten ausschöpfte, die moderne Banken einem bieten.
    Und wie es Spielernaturen eigen ist, begann er, seine Einsätze zu erhöhen. Ein dicker Gewinn von über hunderttausend Francs trug ihm das Vertrauen seiner Banksachbearbeiterin ein. Diese räumte ihm daraufhin großzügige Überziehungskredite ein, indem sie einen so genannten Revolving Credit einrichtete, ein verheerendes kapitalistisches System, eine Art russisches Roulette des Bankwesens. Man hebt ab, tilgt gleichzeitig die Raten, ein Kreislauf, »revolvierend« eben, wie Revolver, bis zu dem Tag, an dem alles zusammenbricht.
    Und eines schönen Tages – er hatte eine große Summe gesetzt, um ein russisches Topmodel zu beeindrucken, in das er sich ein klein wenig verguckt hatte – brach alles zusammen.
    Gleich am nächsten Tag schmetterte ihm die Bankangestellte, die die Gabe besaß, an manchen Tagen ebenso bösartig und kleinlich zu werden, wie sie am Tag zuvor noch freundlich, ja, lax, gewesen war, am Telefon ein »ich gebe Ihnen achtundvierzig Stunden, dann leite ich das Beitreibungsverfahren ein« entgegen.
    Anne bat die École Alsacienne um einen Kredit und löschte die Kontovollmacht ihres Mannes. Aber sie machte ihm nicht den geringsten Vorwurf, was noch schlimmer war, als wenn sie es getan hätte.
    Sie sprach fast überhaupt nicht mehr mit Jo und kam abends spät nach Hause, ohne Einkäufe, die weggeräumt werden mussten, da einer von beiden immer »in der Stadt zu Abend aß«.
    Sie schliefen weiterhin miteinander, aus Gewohnheit, aber schweigend, ohne Zärtlichkeit. Ein kurzes Stöhnen zeigte an, dass sie ihren Höhepunkt erreicht hatte. Er dagegen gab ein langes Grunzen von sich, das war ihr verabredetes Zeichen. Dann schliefen sie ein, ohne ein Wort, Rücken an Rücken.
    Am Morgen stand Anne geräuschlos auf, und während sie ihren Tee trank, sah sie Jo beim Schlafen zu. Es war wie ein Ritual für sie. Wenn er schlief, wirkte er wie ein Kind, und Anne sagte sich oft, dass alles zwischen ihnen von neuem anfangen könne, denn er hatte noch nichts gemacht in seinem Leben. Dass er einfach nur als ein anderer aufwachen müsse, so als wären ihm die Dummheiten, die er in der Vergangenheit gemacht hatte, entfallen, damit sie ihn wieder in ihre Arme nehmen und seinen dunklen Kopf zwischen ihren nackten Brüsten wiegen könne, wie sie es in dem Hinterzimmer der Bar im Quartier Latin getan hatte, am Tag ihrer ersten Begegnung.
     

 
     
     
    4
     
    A NNE
     
     
     
    Sie hatten sich an der Fakultät für Anglistik kennengelernt. Es war sofort um Anne geschehen, als Jo ihr aus dem Kopf lange Passagen aus Der Eispalast von Fitzgerald vortrug, dieser schönen Liebesgeschichte, die in einem vergänglichen Tempel aus Eis spielt, der bei Frühlingsbeginn schmilzt.
    Anne hatte gerade eine schwierige Sommerliebe hinter sich und stürzte sich Hals über Kopf auf Jo. Gleich am ersten Tag des Semesters ließen sie sich im Gedenken an Faulkner in der hintersten Ecke einer Jazzbar mit Bourbon volllaufen und torkelten, als Hommage an Gillespie, über die Tanzfläche. Dann nahm sie seinen Kopf wie den eines Kindes in die Hände und machte sich über seinen Mund her. Sie schminkte sich nie, wirkte ziemlich klug und intellektuell, war aber triebhaft wie eine ungezogene Göre.
    Als sie, auf eine Bank im hinteren Teil des Kellerlokals gelümmelt, beim fünften Bourbon angefangen hatten, wie verrückt zu kichern, wie Betrunkene es tun, oder glückliche Menschen, hatte Anne so getan, als sei ihr ihre Handtasche runtergefallen, und als sie sich hinuntergebeugt hatte, war ihr T-Shirt hochgerutscht und hatte ihre Brüste entblößt.
    Der Anblick ihrer runden, milchigweißen Brüste, die sich vor dem engen schwarzen T-Shirt abhoben – im dunklen Keller wirkte die Szene damals wie ein Bild von Max Ernst –, hatte Jo erregt und erregte ihn auch heute noch, wenn sie sich liebten.
     
    ––– ¤ –––
     
    Anne fuhr jeden Morgen um acht mit der Metro und traf sich mit ihrem Kollegen mit der rebellischen Strähne auf einen Kaffee im Bréa, einen Katzensprung von der École Alsacienne entfernt. Sie küssten sich wie ein altes Ehepaar, nur dass sie nie ein Paar gewesen waren.
    Als wäre der Moment einfach ohne Vorwarnung vorübergegangen. Als wären sie einander überdrüssig geworden, ohne sich

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