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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Kiosk, tätschelte zwei Mal seinen Kopf und kehrte zu der mechanischen Krake zurück, die er bediente. Ihre Arme trugen kleine Körbe, in denen man saß und die sich hoben und senkten und dabei langsam im Kreis drehten. Der Junge fuhr über den Platz, auf dem in einem steten Strom sommerlich gekleidete Menschen eintrafen und sich entfernten.
    »Na klar«, sagte ich, stand auf, nahm Vanjas und Heidis Zuckerwatte, warf sie in einen Abfalleimer und schob den Wagen mit John, der den Kopf hin und her warf, um all die interessanten Dinge mitzubekommen, die hier passierten, über den Platz und zu dem Weg, der zur »Westernstadt« hinaufführte. Aber in der »Westernstadt«, die aus einem Sandhaufen mit drei kürzlich errichteten Schuppen bestand, auf denen die Worte »Grube«, »Sheriff« und »Gefängnis« standen, die beiden letztgenannten voller »Wanted dead or alive«-Plakate, auf der einen Seite umgeben von Birken und auf der anderen von einer Rampe, auf der mehrere Jugendliche auf einem Brett mit kleinen Rädern fuhren, war das Pferdereiten geschlossen. Hinter dem Zaun gegenüber der »Grube« saß die osteuropäische Zirkusfrau auf einem Stein und rauchte.
    »Reiten!«, sagte Heidi und schaute sich um.
    »Dann werden wir wohl zum Eselreiten am Eingang gehen müssen«, meinte Linda.
    John warf sein Fläschchen mit Wasser auf die Erde. Vanja krabbelte unter dem Zaun hindurch und lief zur Grube. Als Heidi das entdeckte, stieg sie aus ihrem Wagen und lief hinterher. Ich sah einen rot-weißen Cola-Automaten auf der Rückseite des Sheriffbüros, beförderte den Inhalt der Tasche meiner Shorts ans Tageslicht und betrachtete ihn: zwei Haarbänder, eine Haarspange mit Marienkäfermotiv, ein Feuerzeug, drei Steine und zwei kleine weiße Muscheln, die Vanja auf Tjörn gefunden hatte, ein Zwanzigkronenschein, zwei Fünfer und neun Einkronenmünzen.
    »Ich rauche so lange eine«, sagte ich. »Ich setze mich da drüben hin.«
    »Tu das«, erwiderte Linda, und hob ihn hoch. »Hast du Hunger, John?«, sagte sie. »Mein Gott, ist das heiß. Gibt es denn hier nirgendwo Schatten? Wo ich mich mit ihm hinsetzen kann?«
    »Da oben«, sagte ich und zeigte zu dem Restaurant auf der Hügelkuppe, das die Form eines Zugs hatte, die Theke war in der Lokomotive untergebracht, die Tische in den Wagen. Dort war kein Mensch zu sehen. Die Stühle standen mit den Rückenlehnen gegen die Tischplatten gelehnt.
    »Ich geh mal hin«, sagte Linda, »und geb ihm was zu essen. Behältst du die Mädchen im Auge?«
    Ich nickte, ging zum Cola-Automaten und zog eine Dose, setzte mich auf den Holzstamm, zündete mir eine Zigarette an und blickte zu dem hastig zusammengeschusterten Schuppen hinauf, wo Vanja und Heidi zur Tür hinein und wieder heraus liefen.
    »Da drinnen ist es ganz dunkel!«, rief Vanja. »Komm gucken!«
    Ich hob die Hand und winkte ihr zu, womit sie sich glücklicherweise zufriedengab. Die Maus presste sie die ganze Zeit mit einer Hand fest an ihre Brust.
    Wo war eigentlich Heidis Maus?
    Ich ließ meinen Blick den Anstieg hinauf schweifen. Und dort, direkt vor dem Sheriffbüro, lag sie mit dem Kopf im Sand. Oben im Restaurant zog Linda einen Stuhl an die Wand, setzte sich und begann, John zu stillen, der anfangs noch strampelte, dann aber ganz still lag. Die Zirkusfrau kam den Hügel hinauf. Eine Bremse stach mich ins Bein. Ich erschlug sie mit solcher Kraft, dass sie auf meiner Haut zermatscht wurde. Die Zigarette schmeckte in der Hitze fürchterlich, aber ich sog standhaft den Rauch in die Lunge ein und starrte zu den Wipfeln der Fichten hinauf, die im Sonnenschein leuchtend grün waren. Eine zweite Bremse setzte sich auf mein Bein. Ich schlug gereizt nach ihr, stand auf, warf die Zigarette auf die Erde und ging mit der halb vollen und noch kalten Cola-Dose in der Hand zu den Mädchen hinauf.
    »Papa, du gehst herum, wenn wir drinnen sind, und dann guckst du, ob du uns durch die Ritzen sehen kannst, okay?«, sagte Vanja und blinzelte zu mir hoch.
    »Kann ich machen«, sagte ich und ging um den Schuppen herum. Hörte sie drinnen poltern und kichern. Senkte den Kopf zu einer der Ritzen und starrte hinein. Aber der Unterschied zwischen dem Licht draußen und der Dunkelheit drinnen war so groß, dass ich nichts erkennen konnte.
    »Papa, bist du da draußen?«, rief Vanja.
    »Ja«, sagte ich.
    »Siehst du uns?«
    »Nein. Seid ihr unsichtbar geworden?«
    »Ja!«
    Als sie herauskamen, tat ich so, als sähe ich sie nicht und sah Vanja direkt an,

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