Lieber Daniel. Briefe an meinen Sohn
eines neuen Lebens. Endlich …
willst Du wissen, was ich noch auf meiner Lebensreise gelernt habe?
Es ist niemals zu spät, noch einmal von vorne anzufangen, ob Du nun zehn, zwanzig oder sechzig Jahre alt bist oder noch älter. Deine Seele kann immer wiedergeboren werden, Daniel. Es gab Momente in meinem Leben, da fühlte ich mich furchtbar einsam und hätte fast meine Träume verraten. Ich war so müde, gegen den Strom zu schwimmen und anders zu denken als die anderen, nur weil ich mir selbst geschworen hatte, mein Leben auf allgemeingültigen Prinzipien und nicht auf Traditionen aufzubauen. Das kann manchmal richtig hart sein, weil da draußen niemand ist, der Dir den Weg zeigt und Dich zur Erfüllung Deines Schicksals führt. Nur in Deinem festen Willen, im Glauben an Deine Träume und in der Liebe zu allem, was Dir teuer ist, wirst Du jene Kraft finden, die Dich in Deinem Streben voranbringen wird. Dein Verstand kann Dir dabei Dein bester Freund oder aber Dein schlimmster Feind sein. Er kann Dir Streiche spielen, wenn Du am wenigsten damit rechnest, und kann versuchen, Dich zur Umkehr zu bewegen. Außerdem können Depressionen oder eine Suchtkrankheit Dein Denkvermögen stark beeinträchtigen, sodass Du vergisst, was Du Dir eigentlich vorgenommen hast: den Sinn Deines Lebens zu finden, indem Du Deinen Träumen folgst.
Doch wenn Du Dein wahres Selbst, Dein eigentliches Wesen nicht verrätst – in meinem Fall ist es das Bild eines fünfjährigen Jungen, der auf den Klippen sitzt, in die Brandung blickt und mit seinem Herzen dem Flüstern der salzigen Brise lauscht –, dann schaffst Du es. Bleibe Deinen schönen, längst vergangenen Erinnerungen treu, Daniel, bewahre in Dir das Wunder eines Kindes, für das nichts unmöglich ist und das auf die Welt gekommen ist, um sein eigenes Leben zu leben. Verliere nie das Leuchten in Deinen Augen, das direkt aus Deiner Seele strahlt. Und sollte es Dir einmal abhanden kommen, dann kämpfe darum, es wiederzufinden.
Alle Wege des Lebens stehen einem unvoreingenommenen Wesen und einem großen Herzen immer offen – das ist freier Wille in seiner gesamten Reinheit. Aber ich will Dir nichts vormachen, Daniel, denn es kann wirklich schwer werden. Doch wenn Du Dein Ziel vor Augen behältst, wenn Du Deiner inneren Stimme folgst und jung bleibst im Herzen, dann, ja dann wirst Du Dein Ziel erreichen und noch viel mehr … Ich trage viele Narben an meinem Körper und meiner Seele. Sie beweisen mir, dass ich mein Bestes gegeben habe. Und für einen bescheidenen Menschen wie mich ist das genug.
XVI
Ich kehrte nach Australien zurück und fand den erhofften Job. Ich wurde Vertriebsleiter und konnte zu Hause arbeiten. Ich zog in eine gemütliche kleine Wohnung am Strand von Cronulla ganz im Süden von Sydney und in der Nähe meiner Lieblingssurfplätze. Ich war im Einklang mit mir selbst.
In Cronulla hatte ich zwei wundervolle Freunde.
Sie lasen, was ich in Portugal geschrieben hatte, und es schien ihnen zu gefallen. Ich hingegen hatte es seitdem nie wieder gelesen.
»Was du da geschrieben hast, ist wirklich gut, Sergio. Willst du nicht versuchen, das Manuskript bei einem Verlag unterzubringen?«
»Nein, ich habe es nur für mich geschrieben. Ich denke nicht, dass das jemand verstehen würde. Es ist sehr persönlich.«
Und so endete das Gespräch. Doch ich wusste nicht, dass meine Freunde schon einen Plan ausgeheckt hatten …
An einem Montagmorgen – ich erinnere mich, dass ich zu Hause in meinem Büro mit Blick auf das herrliche Meer arbeitete – klingelte plötzlich das Telefon.
»Ja?«
»Spreche ich mit Sergio Bambaren?«
»Ja, das bin ich.«
»Ich arbeite bei Random House. Wir haben Ihr Manuskript gelesen und würden uns gern mit Ihnen darüber unterhalten. Könnten Sie sich vorstellen, es bei uns als Kurzgeschichte zu veröffentlichen?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Was denn für ein Manuskript?
»Na, Sie haben es uns doch geschickt …«
»Ich habe niemandem ein Manuskript geschickt …«
Und dann fiel der Groschen. Meine beiden Freunde hatten Kopien an verschiedene Verlage geschickt, ohne mich zu fragen.
»Gut, prima! Ich kann morgen zu Ihnen kommen, wenn Ihnen das passt.«
Wir verhandelten, und zwei Wochen später unterschrieb ich bei Random House Australia einen Autorenvertrag für The Dolphin – Story of a Dreamer. Ich war glücklich. Nicht weil meine kleine Geschichte nun als Buch erscheinen würde, sondern weil ich damit
Weitere Kostenlose Bücher