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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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Redebegier. Glauben Sie nicht, daß wir unsere Kinder von einem Psychologen untersuchen lassen sollten? Wir sind es adoptionsfreudigen Eltern schuldig, ihnen keine schwachsinnigen Nachkommen aufzuladen.
    Wissen Sie, ich bin versucht, Sie zu bitten, für Lorettas Erkältung Arsen zu verschreiben. Ich habe ihren Fall diagnostiziert. Sie ist ein Kallikak. Ist es recht, sie aufwachsen zu lassen, damit sie eine Linie von 378 Schwachsinnigen gründet, für die die Gesellschaft sorgen muß? Ach Gott! Ich bin doch so dagegen, das Kind zu vergiften, aber was soll ich tun?
    S. McB.

    Lieber Gordon!
    Du interessierst Dich nicht für Schwachsinnige und bist entsetzt, weil ich es tue? Nun, ich bin ebenso entsetzt über Dich. Wenn Du Dich nicht für alle derartigen Dinge interessierst, die es unglücklicherweise in der Welt gibt, wie kannst Du dann weise Gesetze machen? Du kannst es nicht. Jedoch will ich, auf Deine Bitte, ein weniger morbides Gesprächsthema wählen. Ich habe soeben fünfzig Meter blaues, rosa, grünes und gelbes Haarband als Ostergeschenk für meine fünfzig kleinen Töchter gekauft.
    Ich will Dir auch was zu Ostern schicken. Würde Dir ein hübsches, wuschliges, kleines Kätzchen gefallen? Ich kann die folgenden Muster anbieten:

    Nummer drei gibt es in jeder Farbe, grau, schwarz oder gelb. Wenn Du mir schreibst, welches Du am liebsten hättest, werde ich es sofort mit Eilboten senden.
    Ich würde einen ordentlichen Brief schreiben. Aber es ist Tee-Zeit, und ich sehe, daß ein Gast naht.
    Addio!
    Sallie.

    PS. Weißt Du niemanden, der ein erstrebenswertes Bübchen mit siebzehn hübschen neuen Zähnen adoptieren möchte?

20. April
    Meine liebe Judy!
    „Einmal suchen, zweimal suchen, gibt Berliner Pfannekuchen!“ Wir haben als Karfreitagsgeschenk zehn Dutzend bekommen, gestiftet von Mrs. De Peyster Lambert, einer kirchenfensterfrommen Seele, die ich vor ein paar Tagen auf einem Tee traf. (Wer sagt nun noch, daß Tees eine dumme Zeitverschwendung sind?) Sie erkundigte sich nach meinen „kostbaren Heimatlosen“ und fand, daß ich eine edle Arbeit tue und meinen Lohn erhalten werde. Ich roch Krapfen in ihrer Miene, setzte mich hin und sprach eine halbe Stunde lang mit ihr.
    Jetzt werde ich sie besuchen, mich persönlich bei ihr bedanken und ihr mit vielen rührenden Einzelheiten erzählen, wie sehr die Krapfen von meinen kleinen Heimatlosen gewürdigt wurden, wobei ich aus-lassen werde, wie der kostbare kleine Punch seinen Krapfen Miß Snaith zielgerecht ins Auge schmiß. Ich glaube, mit einiger Ermunterung kann Mrs. De Peyster Lambert zu einer frohen Geberin entwickelt werden.
    Ich wachse mich zu einem fürchterlichen Bettler aus! Meine Familie wagt nicht, mich zu besuchen, weil ich so unverfroren Bakschisch verlange. Ich habe meinem Vater gedroht, ihn von meiner Besuchsliste zu streichen, falls er nicht sofort fünfundsechzig Paar Overalls für meine werdenden Gärtner liefert. Eine Aufforderung vom Güterbahnhof, ich solle zwei Kisten von der J. L. McBride Co. aus Worcester bei ihnen abholen, führt mich zum Schluß, daß Vater die Bekanntschaft mit mir fortsetzen möchte. Jimmie hat uns noch nichts geschickt, und er hat ein Riesengehalt. Ich schreibe ihm häufig eine herzbewegende Liste dessen, was wir brauchen.
    Aber Gordon Hallock hat den Weg zu einem Mutterherzen erkannt. Ich war so freundlich wegen der Erdnüsse und der Menagerie, daß er uns jetzt alle paar Tage irgendein Geschenk schickt, und ich verbringe meine ganze Zeit mit dem Verfassen von Dankbriefen, die nicht genaue Kopien der vorangegangenen sind. Letzte Woche bekamen wir ein Dutzend große feuerrote Bälle. Der Kindergarten ist voll davon; man stößt sie im Gehen vor sich her. Und gestern kam ein halber Scheffel Frösche und Enten und Fische, die man in der Badewanne schwimmen läßt.
    Sendet, o bester aller Aufsichtsräte, die Wannen, in denen sie schwimmen können.
    Ich bin, wie immer
    S. McBride.

    Dienstag.
    Meine liebe Judy!
    Der Frühling muß irgendwo stecken; die Vögel kommen vom Süden. Ist es nicht Zeit, daß Ihr dem Beispiel folgt?
    Gesellschaftsnotizen aus der „Zeitung für Zugvögel“:
    „Herr und Frau Erstes Rotkehlchen sind von einer Tour nach Florida zurückgekehrt. Es besteht die Hoffnung, daß Herr und Frau Jervis Pendleton in Kürze eintreffen.“
    Sogar hier in unserem rückständigen Dutchess County riecht der Wind grün. Man möchte draußen sein und ins Weite streifen, über die Hügel ziehen oder auch auf den

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