Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
weichen Bauch mit einer Schürze bedeckt, und ich sah den zum Abendessen gedeckten Tisch, Messer und Gabel ordentlich auf roten Servietten, und statt mich zu freuen, antwortete ich gereizt, nenne mich nicht so, wie oft habe ich dir schon gesagt, daß es mich nervt, wenn du mich so nennst, und seine Augen wurden groß vor Kränkung, und er sagte, aber du warst es doch, die mit diesen Namen angefangen hat, und ich sagte, na und, ich habe aber damit aufgehört und du nicht, erst gestern hast du mich vor anderen Leuten so genannt, und alle haben uns für bescheuert gehalten. Was kümmert es mich, was die anderen denken, murmelte er, mir ist es wichtig, was wir denken, und ich sagte, wann kapierst du endlich, daß es kein wir gibt, es gibt ein ich und ein du, und jeder hat das Recht auf seine eigenen Gedanken, und er redete hartnäckig weiter, früher hast du es gemocht, wenn ich dich so genannt habe, und ich zischte, in Ordnung, dann habe ich mich eben geändert, warum kannst du dich nicht auch ändern, und er sagte, ich werde mich in meinem eigenen Rhythmus ändern, du kannst mir keine Vorschriften machen, schnappte seinen Teller und setzte sich vor den Fernseher, und ich betrachtete den Tisch, der sekundenschnell sein Aussehen geändert hatte, plötzlich zu einem Einpersonentisch geworden war, und überlegte, wie traurig es ist, allein zu leben, wie schafft Schira das, und dann fiel mir Tulja ein, ihr dicker, verwöhnter Kater, weich und pelzig wie ein Kopfkissen, und ich sagte, ich habe keinen Hunger, und ging ins Schlafzimmer, legte mich aufs Bett und dachte, was werden wir jetzt tun, ohne all die kleinen zärtlichen Namen, er wird mich nicht mehr Wühlmäuschen nennen und ich ihn nicht mehr Biber, wie können wir dann überhaupt miteinander sprechen?
Ich hörte das Telefon klingeln und seine weiche Stimme, als er antwortete, und dann kam er ins Zimmer und sagte, Schira ist am Telefon, sag ihr, daß ich schlafe, sagte ich, und er sagte, aber sie braucht dich, und hielt mir den heulenden Hörer hin. Tulja ist verschwunden, jammerte sie, und die Nachbarn sagen, hier in der Nähe wäre eine Katze überfahren worden, und ich habe Angst, daß es Tulja war, und ich flüsterte, beruhige dich, es ist bestimmt eine andere Katze, Tulja geht doch nie vom Haus weg, und sie weinte, ich habe das Gefühl, er war es, immer wartet er abends auf mich, und ich sagte, aber Tulja geht doch so gut wie nie aus dem Haus, und sie sagte, ich habe das Küchenfenster offengelassen, weil es heute morgen noch Chamsin gab, ich habe nicht geahnt, daß er rausgehen würde, was für einen Grund hätte er haben sollen hinauszugehen, es geht ihm doch nicht schlecht in der Wohnung.
Er ist bestimmt unter dem Bett oder irgendwo, sagte ich, du weißt, wie Katzen sind, sie verstecken sich und kommen wieder zum Vorschein, wie es ihnen gerade paßt, geh jetzt schlafen, morgen früh wird er dich wecken, und sie flüsterte, hoffentlich, und wieder fing sie an zu weinen, er ist mein Baby, ich bin verloren ohne ihn, du mußt kommen und mir beim Suchen helfen, und ich sagte, aber Schira, ich bin gerade eben nach Hause gekommen und kann mich kaum noch rühren, warten wir noch einen Tag, aber sie blieb stur, ich muß ihn jetzt finden, und am Schluß sagte ich, in Ordnung.
An der Tür fragte er, was ist mit dem Essen, das ich gekocht habe, seine Augen über dem kauenden Mund bekamen einen enttäuschten Ausdruck. Ein Stück Tomate war ihm beim Sprechen entwischt und hing jetzt an seinem Kinn, ich sagte, ich muß Schira helfen, ihren Kater zu suchen, und er sagte, immer beklagst du dich, daß ich nie koche, und wenn ich dann koche, ißt du nicht. Was kann ich machen, sagte ich gereizt, wenn du ihr gesagt hättest, daß ich schlafe, hätte ich jetzt nicht wegzugehen brauchen, du kannst mir glauben, daß ich lieber zu Hause bleiben würde, und er kaute unermüdlich weiter, als würde er auf den Worten herumkauen, die ich gesagt hatte, würde sie im Mund hin und her wenden, dann sah er wieder zum Fernseher, und ich warf ihm zum Abschied einen Blick zu und ging hinaus, immer, wenn ich von ihm wegging, hatte ich das Gefühl, ich würde ihn nicht wiedersehen, dies wäre das letzte Mal, und die Hunderte von Malen, die ich mich geirrt hatte, konnten an dieser Überzeugung nichts ändern, sondern verstärkten sie nur noch und vergrößerten meine Angst, daß es diesmal passieren würde.
Schira saß in der Küche, den Kopf auf den schmutzigen Tisch gelegt, in ihren Haaren
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