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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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eigene Kokerei betreibt und streng unter Verschluß hält, woran sich allerlei Legenden ranken. Es heißt, er könne das Licht gar nicht mehr löschen, ohne daß sein Haus in die Luft fliege, weshalb er darauf verzichtet habe, es auch innen mit blauem Licht zu bestücken. Tatsache ist allerdings, daß man darin keinen Schatten wirft. In der ersten Zeit kamen Schaulustige in den Hof, um den merkwürdigen Effekt auf die Probe zu stellen, aber dann verbreitete sich das Gerücht, Gaslicht greife, ohne äußere Anzeichen, die Körpersäfte an, weshalb Einheimische den Ort inzwischen meiden. George, der Barmann, lächelt nur: der Wirt selbst sei die Quelle des Gerüchts, um sich Krethi und Plethi vom Leib zu halten. Golownin und Rikord beschleicht ein sonderbares Gefühl, wenn sie vor dem Gaslicht verweilen. Zwar verschluckt es denSchatten nicht ganz, doch es vervielfacht ihn zu einem halbdunklen Strahlenbündel, wofür die Gesetze der Optik, die sie gerade in der
Academy
repetiert haben, keine Erklärung bieten. Aber nach dem langen Tag ist Studieren nicht mehr ihre Sache.
    Das
Unicorn
nutzt eine aufgelassene Fuhrhalterei, wobei das Erdgeschoß, wo früher die Wagen standen, als
Pub
eingerichtet ist. Man betritt es durch den linken Torbogen; die zwei übrigen sind verglast, doch die Butzenscheiben erlauben keinen Durchblick. Das Tor wird zur Polizeistunde verschlossen, nur für ausgewählte Gäste geht der Betrieb im Obergeschoß weiter. Und während der Hof in Schweigen versinkt, brennen die Lichter in der langen Fensterflucht oft bis in die Morgendämmerung. Wo jetzt Clubräume eingerichtet sind, haben früher Pferde gestanden, darum führt die Außenwand entlang eine gepflasterte Rampe hinauf. Sie ist gesperrt, denn bei schlechtem Wetter ist es für Fußgänger, namentlich auf unsicheren Beinen, nicht ratsam, die stufenlose Bahn zu benützen. Den ausgewählten Gästen steht für den Aufstieg eine Hintertreppe im Pub zur Verfügung: GENTLEMEN ONLY.
    Obwohl die erhöhte Stallung von einst jetzt in kleinere Räume aufgeteilt ist, kann man ihr die ursprüngliche Bestimmung immer noch ansehen, nur sind die Standplätze und Futterkrippen als Sitzkojen eingerichtet. Aber weil die Wände nur bis zur halben Höhe reichen, haben alle Abteile den Luftraum gemeinsam, und man kann den Rauchzeichen nachsehen, wenn sie zum offenen First aufsteigen. Dorthin zieht aber auch die Wärme ab, weshalb die Gäste am liebsten nahe bei einem der kunstvoll gestalteten Kamine verweilen. Der Wirt hat sie aus dem Abbruch eines walisischen Schlosses gewonnen; sie stellen Stadtbilder dar, die durch berühmte Brände verlorengegangen sind: Troja, Ephesus, Rom und schließlich Jerusalem, worüber Rikord nur rätseln kann. Da Green für Auskünfte nicht zu haben ist, muß es genügen, daß die gemeißelten Ansichten vom Herdfeuer nicht verzehrt, nur hell beleuchtet werden. Inschriften, oft unverständlich, gehören zum Inventar, und an derjenigen, die in den Balken über ihrem Sitzplatz gekerbt ist, rätselt Rikord seit dem ersten Tag.
    Was jedem Gast schon beim Betreten des oberen Saals auffällt, ist das Verwirrende seiner Anlage. Das Balkengefüge ist dasjenige einer riesigen Scheune, aber die Abzüge der Kamine verleihen ihr auch etwas von einer Fabrik, denn es sind Rohre aus genietetem Kupferblech, die wie tragende Säulen zur Dachschräge hinaufstreben. Von außen betrachtet, ist das
Unicorn
mit dreizehn Kaminen bestückt, und alle rauchen. Aber ist man erst im Haus, so kann man zählen, wie man will: man kommt nur auf sieben Feuerstellen. Green will die Rohre von einer Industrie in Manchester bezogen haben, die mit der Entwicklung
dampfgetriebener
Schiffe beschäftigt sei; würde diese Möglichkeit Tatsache, wäre sie das Ende der christlichen Seefahrt.
    Der Oberstock des
Unicorn
hat
bewegliche
Wände. Darauf sind die Freunde erst gekommen, als sie ihr Reservat – den sogenannten
Foreign Correspondents’ Club
– immer wieder verändert fanden. Dabei wirkten die dunkel getäfelten Wände massiv, solide genug, eine Galerie gerahmter Stiche zu tragen, welche Greens überseeische Abenteuer illustrierten. Wie festgegossen steht auch das Einhorn, das dem Haus den Namen gegeben hat, an seinem Platz. Vielmehr stößt es durch die Wand und scheint halbwegs steckengeblieben zu sein, denn es ragt nur mit dem Vorderleib in den Raum. Es ist untersetzt und silbergrau, bis zu den Haarsocken der Hufe; fast verdeckt eine üppige Mähne die schimmernden

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