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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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zwölfhundert Pfund gutgeschrieben.«
    Ich wartete. Er fragte:
    »Ich nehme an, Sie möchten das Konto reaktivieren?«
    »Nein.«
    »Mr. Mitchell, darf ich Ihnen eine günstige Anlagemöglichkeit empfehlen? Wir haben sehr attraktive Angebote für Kleinsparer.«
    »Geben Sie mir mein Geld.«
    »Äh ... selbstverständlich ... möchten Sie das Konto auflösen?«
    »Lassen Sie ein Pfund drauf ... weil ihr euch so toll kümmert.«
    Ich bekam mein Geld, aber keinen warmen Händedruck und auch kein freundliches Auf Wiedersehen.
    Von wegen kümmern.
    Party Time. Ich hatte ein Nickerchen gehalten und schreckte aus dem Schlaf hoch. Mein Herz wummerte und Schweiß floss mir in Strömen den Rücken runter. Nicht weil ich dachte, ich sei immer noch im Gefängnis, sondern weil ich wusste, dass ich es nicht mehr war. Im Knast hatten sie mich vorgewarnt:
    »Nichts macht einem mehr Angst, als draußen zu sein.«
    Wahrscheinlich wandern deshalb so viele zurück in den Bau.
    Laut schwor ich mir: »Scheiße, ich nicht.«
    Ich machte hundert Sit-ups und hundert Liegestütze und spürte, wie sich die Panik legte.
    Die Küche war ausgezeichnet mit Vorräten bestückt.
    Kein Porridge, Gott sei dank. Ich trank O-Saft und aß angebrannten Toast. Es gab eine Mikrowelle und ich knallte mir einen Kaffee rein. Schmeckte scheiße, aber genau das war ich gewohnt. Stellte mich unter die Dusche, rasieren fiel aus. Sollte der Dreitagebart doch wachsen.
    Was konnte im schlimmsten Fall passieren?
    Dass ich aussah wie der Vater von George Michael.
    Benutzte ein Deo von Calvin Klein. Auf dem Etikett stand: Alkoholfrei. Hey, bringt also nichts, einen Schluck zu probieren.
    Setzte mich einen Augenblick und drehte eine. Den Bogen hatte ich raus, hätte auch einhändig drehen können. Hätte ich auch noch gewusst, wie man ein Streichholz an den Zähnen anreißt, wäre ich der Größte gewesen.
    Einmal die Plattensammlung durchstöbern. Seltsam, trotz der supermodernen Einrichtung war die CD-Revolution an dem Mann völlig vorbeigegangen. Er hatte nur entweder richtige Alben oder Kassetten. Mit mir ging das klar.
    Legte Trisha Yearwood auf. Ein Stück namens »Love Wouldn’t Lie to Me.«
    Hörte es mir zweimal an.
    Ich stamme aus dem Südosten Londons. Wörter wie »schön« benutzen wir nicht, es sei denn, es geht um Autos oder Fußball. Und auch dann nur in Gegenwart von Personen, die wir richtig gut kennen.
    Dieser Song war wunderschön. Er löste Gefühle in mir aus wie
    Sehnsucht
    Wehmut
    Reue.
    Scheiße, wenn das so weitergeht, fange ich noch an, Frauen zu vermissen, die ich nie kennengelernt habe. Vielleicht ist das so ein »Mittvierzigerding«.
    Ich schüttelte mich. Zeit, ein bisschen auf die Kacke zu hauen. Zog eine von den Gap-Hosen an - saß sehr eng an der Taille, aber hey, solange ich nicht atmete, war alles in Ordnung. Ein weißes T-Shirt und den Blazer.
    Sah einwandfrei aus.
    Wie ein Magnet für Straßenraubanfänger.
    Das Album lief noch und Trisha sang ein zauberhaftes Duett mit Garth Brooks.
    Ich musste sie abwürgen.
    Kein Zweifel, Musik verdreht einem den Kopf.

E in unbedeutender, isolierter Vorfall kann zum Auslöser einer unberechenbaren Kette von Ereignissen werden. Man glaubt, man trifft Entscheidungen, dabei fügen sich nur die Einzelteile zu einem längst vorherbestimmten Ganzen.
    Tiefgründig, hm?
    Ich fuhr mit der U-Bahn zum Oval. Die Northern Line - wie immer zum Aus-der-Haut-Fahren. Zwei schmuddelige Straßenmusikanten massakrierten »The Streets of London«. Ich steckte ihnen was zu, in der Hoffnung, dass sie aufhörten.
    Taten sie nicht.
    Kaum waren sie fertig, fingen sie noch mal von vorne an. Als ich aus der U-Bahnstation kam, stand Joe mit The Big Issue da. Ich fragte:
    »Bock auf Party, Joe?«
    »Meine Party ist hier, Mitch.« Was soll man dazu sagen?
    Auf der anderen Straßenseite fuhr ein Aston Martin vor der St. Mark’s Cathedral vor. Eine junge Frau stieg aus. Zwei Gestalten traten aus dem Schatten der Bäume vor der Kirche. Das waren keine Obdachlosen, sondern das, was Andrew Vachss als »Wadenbeißer« bezeichnet hat: Abschaum. Sie belästigten die Frau. Ich überlegte, ob ich eingreifen sollte. Ich wollte den Blazer nicht ruinieren. Joe meinte:
    »Mach schon, Mitch.«
    Ich überquerte die Straße. Die beiden zogen das komplette urbane Überfallprogramm durch.
    Einer vorne, der das Gequatsche übernahm, der andere hinter ihr, bereit zuzuschlagen.
    Ich schrie:
    »Yo, Männer!«
    Alle drei drehten sich um. Die

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