Ich leg dir die Welt zu Fuessen
1. KAPITEL
Louis Jumeau knallte die Fahrertür des Range Rovers zu und musterte den Wagen genervt. Wie dumm von ihm, einer Mietwagenfirma zu vertrauen, die sich brüstete, die einzige im Umkreis von fünfzig Meilen zu sein! Mangelnde Konkurrenz führte zwangsläufig zu mangelndem Service. Er hätte es viel bequemer haben können, wenn er den Helikopter genommen hätte und am Flughafen in einen seiner eigenen topmodernen Wagen umgestiegen wäre.
Doch er hatte die Transportmöglichkeiten vor Ort unbedingt persönlich austesten wollen. Seine verwöhnten Kunden würden erstklassige Verbindungen nach Crossfeld House erwarten, wenn sie auf die Idee kämen, mit dem Zug anzureisen und für die Weiterfahrt einen Wagen zu mieten, wie er es unglücklicherweise getan hatte.
Leise fluchend klappte er sein Handy auf. Kein Empfang.
Er sah sich um. Niemand weit und breit. Kalt und abweisend präsentierte sich das schottische Hochland in der hereinbrechenden Dunkelheit. Und es konnte jeden Augenblick anfangen zu schneien, damit musste man hier im Winter immer rechnen. Allerdings hatte Louis die Warnungen nicht ernst genommen. Wie hätte er auch ahnen können, dass ihn sein Mietwagen – „der beste weit und breit, mein Sohn!“ – mitten auf einer einsamen Landstraße in den Highlands im Stich lassen würde?
Entschlossen angelte er seinen Mantel vom Rücksitz. Es war höchste Zeit, dass die „einzige Autovermietung im Umkreis von fünfzig Meilen“ ernsthafte Konkurrenz bekam. Sonst konnten die verzweifelten Anbieter ihre Immobilie behalten.
Crossfeld House stellte eine nette, aber keineswegs notwendige Bereicherung seines auch jetzt schon sehr ansehnlichen Bestands an internationalen Komforthotels und englischen Landgütern dar. Der größte Pluspunkt des Anwesens war zweifellos der dazugehörige Golfparcours. In der Beschreibung wurde er euphorisch als äußerst anspruchsvoll ausgelobt, was Louis nüchtern mit verwahrlost bis unbenutzbar übersetzte.
Nun, er würde sich selbst ein Bild machen. Falls er zu Fuß je dort ankam. Dann würde er auch das andere kleine Problem aus der Welt schaffen, das ihn in Crossfeld House erwartete.
Dem eisigen Dezemberwind trotzend, hüllte er sich in seinen Mantel und marschierte los. Dass er kein Auto mehr hatte, war ärgerlich, aber momentan nicht zu ändern. Also konzentrierte er sich lieber auf jenes Problem, das er lösen konnte und würde: die beunruhigende Tatsache, dass sein bester Freund sich Hals über Kopf in eine Glücksjägerin verliebt hatte.
Louis war der Frau noch nie begegnet, aber er kannte die Sorte: bildhübsch, bettelarm und mit einer Mutter gesegnet, die alles daransetzte, ihre Tochter – in diesem Fall ihre fünf Töchter – reich zu verheiraten.
Ein siegessicheres Lächeln huschte über sein Gesicht. Er würde dieser Familie Sharp einen Besuch abstatten. Sein Freund Nicholas war wohlhabend und erfolgreich, aber entschieden zu gutgläubig. Wenn Mutter Sharp ihr reizendes Töchterlein geschickt auf ihn ansetzte, würde er früher oder später am Haken zappeln. In letzter Zeit hielt er sich verdächtig oft in Crossfeld auf, immer unter dem Vorwand, das Objekt begutachten zu müssen.
Aber Louis war nicht von gestern – und fest entschlossen, die Ehre und das Bankguthaben seines langjährigen Freundes mit allen Mitteln zu verteidigen.
Er war so in seine Gedanken vertieft, dass er das herannahende Motorrad erst bemerkte, als es ihn beinahe über den Haufen fuhr. Schottersteine spritzten auf, ohrenbetäubender Lärm zerriss die Stille, als es mit quietschenden Reifen zum Stehen kam. Der Fahrer, ganz in Schwarz und mit einem schwarz glänzenden Helm auf dem Kopf, riss die Maschine herum um und kam in gedrosseltem Tempo auf Louis zu.
„Bravo“, sagte Louis wütend. „Versetzt Ihnen das einen Kick, oder betrachten Sie diese Straße als Ihre private Rennstrecke?“ Drohend und grimmig beugte er sich über die schmale Gestalt auf dem Motorrad.
Lizzy, im Begriff, ihren Helm abzunehmen, ließ die Hand wieder sinken.
Aus der Nähe betrachtet, war der Mann größer, kräftiger und Angst einflößender, als sie gedacht hatte. Und obwohl sie die Gegend und ihre Bewohner in- und auswendig kannte, war jetzt niemand in der Nähe, den sie zur Hilfe rufen konnte.
Das Gesicht des Fremden war in der Dunkelheit kaum auszumachen, aber sein Ton, scharf wie ein Peitschenhieb, weckte ihren Unmut.
„Ich hätte Ihretwegen nicht anhalten müssen“, erwiderte sie
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