London Road - Geheime Leidenschaft (Deutsche Ausgabe)
und all diesen anderen Typen helfen lässt, aber nicht von einem Freund?«
Weil das was völlig anderes ist! »Das ist was anderes«, gab ich ruhig zurück. »Wenn man eine Beziehung mit jemandem hat, der reich ist, dann gehört das eben dazu. Ich habe nicht viele Talente, Joss. Ich bin keine Wissenschaftlerin wie Ellie und keine Schriftstellerin wie du. Ich bin eben eine Freundin. Ich bin eine gute Freundin, und mein Freund drückt seine Dankbarkeit aus, indem er mir gegenüber großzügig ist.«
Ich war erstaunt über die Wut, die plötzlich in ihren Augen aufflackerte, und wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Erstens: In dir steckt viel mehr. Zweitens: Dir ist schon klar, dass du dich gerade im Wesentlichen als glorifizierte Nutte beschrieben hast?«
Sie hätte mir ebenso gut einen Schlag ins Gesicht versetzen können, so hart trafen mich ihre Worte. Ich zuckte zusammen und spürte, wie mir die Tränen kamen. »Joss …«
An ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass sie ihre Worte schon bereute. Sie zog entschuldigend den Kopf ein. »In dir steckt so viel mehr, Jo. Wie kannst du glücklich sein, wenn du weißt, dass die Leute so über dich denken? Bevor ich dich richtig kannte, habe ich dich für eine coole, aber oberflächliche und geldgierige Frau gehalten. Ich habe dich völlig falsch eingeschätzt – genau wie alle anderen dich falsch einschätzen. Und du unternimmst nichts dagegen. Weißt du, wie oft ich Craig schon für die Art, wie er mit dir redet, in die Eier treten wollte? Niemand behandelt dich mit Respekt, Jo, weil du selbst diesen Respekt nicht einforderst. Ich kenne die Wahrheit über dein Leben seit einem Jahr, und ich kriege es einfach nicht auf die Reihe. Keine Ahnung, wie du es auf die Reihe kriegst. Irgendwie glaube ich, du kriegst es gar nicht auf die Reihe.«
Gelächter und aufgekratzte Stimmen drangen von der Tür her zu uns, und Joss ließ von mir ab, um sich für die ersten Gäste des Abends bereitzumachen. Schockiert starrte ich sie an. Meine mühsam aufgebaute Fassade bröckelte, und ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte.
»Ich habe Respekt vor dir«, beteuerte sie leise. »Wirklich. Ich weiß, warum du das alles machst, und ich kann deine Haltung verstehen. Aber von Ex-Märtyrerin zu Märtyrerin: Steig von deinem Kreuz runter, und lass dir helfen.«
Die ersten Gäste betraten den Club, und ich nahm mit einem aufgesetzten Strahlelächeln ihre Bestellungen entgegen, als hätte meine beste Freundin auf der ganzen Welt mir nicht gerade eben mein Leben vor die Füße geworfen.
Im Laufe des Abends schaffte ich es, nicht allzu viel an Joss und ihre Meinung über mich zu denken. Ich flirtete mit gutaussehenden männlichen Gästen, lehnte mich über den Tresen, hauchte ihnen etwas ins Ohr, kicherte über ihre Witze – die guten und die schlechten – und tat so, als wäre das Leben ein einziger großer Spaß.
Das Trinkgeldglas füllte sich schnell.
Zwei Sekunden nachdem ein attraktiver Mittdreißiger mit einer Breitling Sports am Handgelenk mir zum Abschied seine Telefonnummer zugesteckt hatte, stand Joss mit einem Cocktailshaker neben mir.
»Hast du mir nicht gestern Abend erst gesagt, wie gern du Malcolm hast?«
Noch immer gekränkt von der verbalen Abreibung, die sie mir verpasst hatte, tat ich die Frage mit einem Schulterzucken ab. »Ich halte mir lediglich alle Optionen offen.«
Sie seufzte schwer. »Tut mir leid, wenn ich dich vorhin verletzt habe.«
Statt ihre Entschuldigung anzunehmen – ich wusste nicht, ob ich dazu schon bereit war –, deutete ich mit einem Kopfnicken zum anderen Ende des Tresens. »Dein Gast wartet.«
Den Rest des Abends ging ich weiteren Gesprächen mit ihr aus dem Weg. Stattdessen schaute ich ständig auf mein Handy, um nachzusehen, ob Cole vielleicht versucht hatte, mich anzurufen.
Nachdem der Club zugemacht hatte und wir mit dem Aufräumen fertig waren, fing Joss mich ab, als ich gerade meine Jacke anzog.
»Mit dir hat man’s echt sauschwer, weißt du das?«, sagte sie vorwurfsvoll, während sie in ihren Mantel schlüpfte.
»Pff!«, machte ich. »Das ist so ziemlich die schlechteste Entschuldigung, die ich je gehört habe.«
»Es tut mir leid, dass ich mich so ungeschickt ausgedrückt habe. Aber es tut mir nicht leid, dass ich es gesagt habe.«
Ich holte meine Handtasche aus dem Spind und warf ihr einen müden Blick zu. »Früher hast du andere Leute in Ruhe gelassen und dich nicht in Sachen eingemischt, die dich
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