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Loreley

Titel: Loreley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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eine Gestalt in wehe n dem Kleid aus den Dunstwolken. Der enge Wehrgang, eben noch der eins a me Bug eines Schiffes, das Fee ihren Träumen ein Stück näher brachte, gerann wieder zu mass i vem Stein, fest verwurzelt in der grauen Wirklichkeit der Burg.
    Amrei, Fees Lieblingszofe, trat neben sie und folgte ihrem Blick in den Nebel. »Da gibt es doch überhaupt nichts zu sehen«, stellte sie fest und runzelte die Stirn.
    Du sprödes Ding, dachte Fee, teils belustigt, teils mi t leidig. Manchmal fühlte sie sich, als wäre sie die einzige hier, die über einen Funken Vorstellungskraft verfügte. »Ich dachte, ich hätte Pferde gehört, die den Berg h e raufkommen.«
    »Pferde?«, entfuhr es Amrei, und ein Leuchten glomm in ihrem Blick. »Ihr meint, Ritter?« Angestrengt starrte sie in die Tiefe, beugte sich sogar zwischen den Zinnen vor, um zum Fuß der Mauer hinabzublicken. Schließlich aber zog sie den Kopf enttäuscht zurück. »Ich kann nichts erkennen.«
    Einen Moment lang überlegte Fee, ob es sinnvoll w ä re, Amrei auf den Unterschied zwischen Hören und S e hen hinzuweisen, doch dann ließ sie es bleiben. Zumal sie es vorzog, ihren Schwindel von den Pferdehufen im Nebel nicht noch weiter zu vertiefen. Es geschah ihr o h nehin viel zu oft, dass sie sich in irgendwelchen Notlügen verlor, bis sie schließlich nicht mehr zurückkonnte und die eine Lüge mit weiteren untermauern musste. Sie wusste, das dies einer ihrer Fehler war. Sie log nicht böswillig, oft nicht einmal bewusst; meist waren es ledi g lich kleine Schwindeleien, die sie aus der Not heraus zu handfesten Lügenmärchen ausbaute. Sie war nicht stolz darauf, aber sie hatte es längst als Teil ihrer Natur akze p tiert.
    »Hast du mich gesucht?«, fragte sie.
    Die Zofe nickte und zupfte die Stoffhaube zurecht, die ihr dunkles Haar verbarg. »Ihr wart nicht in Eurer Ka m mer und auch nicht in der Küche oder im Saal bei den anderen Damen. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Aber wo sollte ich denn schon sein?«, seufzte Fee. »Du bist nicht viel älter als ich und führst dich auf wie eine alte Jungfer, Amrei.«
    Die Zofe kicherte verhalten. »Und solange die Ritter, die Ihr im Nebel hört, nur E u rer Einbildung entspringen, werde ich wohl oder übel eine Jungfer bleiben. Ihr könnt nicht erwarten, dass ich mich mit einem dieser Laus e bengel, die sich Knappen schim p fen, zusammentue.«
    »Aber sie mögen dich«, sagte Fee. »Du solltest sehen, wie sie sich nach dir u m schauen, wenn du über den Hof gehst.«
    Amreis Blick war traurig, doch zugleich glomm in i h ren Augen ein vager Hof f nungsschimmer. »Ihr wollt mir nur schmeicheln, Fräulein.«
    Das wollte Fee tatsächlich, und damit war es wieder einmal soweit: Eine kleine, höfliche Flunkerei, und schon war sie gezwungen weiterzuschwindeln. Alles andere hätte Amrei zu Tode beleidigt. So ersann sie auf die Schnelle eine Geschichte über einen der Knappen, den sie zufällig belauscht hatte, als er einem anderen seine Liebe zu Amrei offenbarte; heimlich, verstand sich, hi n ter einem Busch versteckt. Und, genau besehen, war es gar keine Lüge. Fee hatte dieses Gespräch tatsächlich mitangehört – mit dem feinen Unterschied allerdings, dass die Liebe des Jungen ihr selbst und nicht der Zofe galt. Aber was bedeutete schon eine so kleine Abwe i chung von der Wahrheit?
    Amrei war mit einem Mal ganz begierig darauf, mehr über den liebestollen Kna p pen zu erfahren, und bald kam Fee derart in Bedrängnis, dass sie eilig ein neues Ende der Episode erdichtete. Darin erzählte der Junge – von dem sie vorgab, ihn hinter dem Gebüsch nicht erkannt zu haben – seinem Gefährten, er wolle sich seiner geliebten Amrei schon bald erklären. Damit musste sich die aufg e regte Zofe notgedrungen z u frieden geben, und während sie gemeinsam die Treppe zum Hof hinabstiegen, dachte Fee reumütig, dass sie der armen Amrei mit ihrer Flunk e rei soeben wohl ein paar schlaflose Nächte beschert ha t te.
    Fee trug keine Haube wie die Zofe, obgleich es sich für eine junge Dame ihres A l ters geziemt hätte. Statt ihr hellblondes Haar hochzustecken und unter feinen Stoffen zu verbergen, ließ sie es offen über ihren Rücken fallen. Lediglich zwei dünne Zöpfe hatte sie aus der Haarflut herausgelöst und um ihre Stirn gelegt wie einen Frü h lingskranz. Genau genommen war nicht sie selbst das gewesen, sondern Amrei, denn die Zofe vermochte wu n dervolle Dinge aus Haar zu formen – um so verwunderl i cher, dass sie es

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