Lost Secrets 4
Heather vergisst. Aber das hat sie nicht. Sie hat mich durchschaut.“
Unweigerlich kamen Heather die Tränen, als sie anfing das Ausmaß der seelischen Verwüstung zu erkennen, das in diesem Mann herrschte.
„Ich habe die Detonationen verzögert. In der Stadt und im Cottage, damit … dir nichts passiert.“
Als er hustete, lief ihm ein Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel. „Neue Jakes und Heathers. Jake und Heather … immer wieder. Aber meine Mutter hat mich durchschaut. Sie ist meine Mutter. Sie sagte, ich muss tun, was sie sagt, weil sie meine Mutter ist.“ Er atmete zittrig ein. „Habe ich dich gerettet?“
Heather konnte förmlich zusehen, wie er schwächer wurde, wie sein Gesicht die Farbe verlor und sein Griff die Kraft.
„Ja, du hast mich gerettet.“ Sie warf einen kurzen Blick zu Eric empor, der regungslos neben ihr stand und stumm nickte.
„Das ist … gut.“ Der Hauch eines Lächelns breitete sich über sein Gesicht. „Gott sei Dank!“
Kurz bäumte er sich unter Schmerzen auf, bevor er in ihren Armen zusammensackte. Sein Atem ging nur noch flach.
„Ich liebe Dich“, hauchte er leise.
Heather schluchzte auf vor Mitleid und Wut. Mills war kaum noch bei sich. Man brauchte kein Arzt sein, um zu sehen, dass er es nicht schaffen würde, bis der Hubschrauber eintraf.
„Sag’ es.“ Die leisen Worte kamen von Eric und ließen Heather ruckartig aufsehen.
„Was?“
„Sag es ihm. Er stirbt. Schenk ihm Frieden.“
Wieder fiel Heathers Blick auf Mills kalkweißes Gesicht. Er hatte Mühe die Augen offen zu halten.
„Ich liebe dich auch“, sagte sie leise und sah durch ihren Tränenschleier das schwache Lächeln auf seinem Gesicht.
„Das ist der schönste Moment … meines Lebens.“ Seine Hand glitt von ihrem Arm. „Ich bin so müde.“
„Dann schlaf ein bisschen.“ Eine ihrer Tränen tropfte auf seine blutige Brust, als seine Augen den Glanz verloren. „Ich passe solange auf.“
Und das tat sie.
Bis die Sanitäter seine Leiche aus ihrer Umarmung lösten.
Epilog
Heather blickte auf die schwarze Graberde, die zwischen den frisch gepflanzten Petunien und dem Heidekraut zu sehen war. Sie hatte die Geschehnisse der vergangenen zwei Wochen noch immer nicht verdaut und fragte sich, ob sie das jemals würde.
Die gefangenen Mädchen waren befreit worden. Aber ansonsten gab es bei diesem Fall im Grunde nur Verlierer. Fünf Familien hatten geliebte Kinder und Enkel verloren, weil Mills sie getötet hatte. Mills selbst war von der Frau, die ihn einst zur Welt gebracht und postwendend in einem Heim entsorgt hatte, zu einem Werkzeug ihrer Rache und Habgier geformt und nicht zuletzt aufgrund seiner schizophrenen Psyche zum Mörder geworden.
Und doch … Hatte er nicht dennoch geliebt? Sie geliebt? Hatte er ihr nicht das Leben gerettet? Zweifellos, denn wenn er nicht getan hätte, was er getan hat, würden sie und Eric jetzt 1,8 Meter tief unter der Erdoberfläche liegen. Und Mills würde vielleicht genau dort stehen, wo sie jetzt stand. Diese Erkenntnis brachte ihr schwarzweißes Verständnis von Gut und Böse bedrohlich ins Wanken.
„Bist du soweit?“ Eric schlang von hinten die Arme um sie und drückte ihr einen Kuss aufs Haar.
„Es lässt mich irgendwie überhaupt nicht los“, sagte sie leise, ohne ihren Blick von dem dunklen Grabstein zu lösen.
„Alles andere wäre auch verwunderlich.“
„Es war gut, dass du mich dazu gebracht hast, es zu sagen.“ Sie sah zu ihm empor und fand seinen ruhigen Blick, der ihr so viel Kraft schenkte. „Dass ich ihm gesagt habe, dass ich ihn liebe. Auch wenn es nicht stimmt, vielleicht sogar genau deswegen. Er war ein Mörder, aber er war kein eiskalter Mörder. Im Grunde hat er es nur aus Liebe zu mir getan.“
„Mach dir ja keine Vorwürfe!“
„Nicht? Bin ich nicht schuld daran, dass diese jungen Leute sterben mussten?“
„Nein. Er hat sie getötet und seine Mutter hat ihn dazu gebracht. Mills war ein Opfer, das zum Täter wurde. Du darfst bei seinem Verhalten nicht deine Denkmuster anwenden. Er war krank. Wenn du den Fachbegriff hören möchtest: dissoziative Persönlichkeitsstörung. Er war weder der souveräne Verführer, der er bei dir sein wollte, weil er dachte, dass du es dir wünschst. Genauso wenig war er der Mörder, den seine Mutter von ihm erwartete zu sein. Dies alles waren nur Facetten seines Ichs, die er sich aneignete, um überleben zu können. In Wahrheit war er noch
Weitere Kostenlose Bücher