Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
Wortwahl, derer Michelle sich bediente, nicht ihren Vorstellungen von einer Lady entsprach, überraschte Mabel dagegen kaum. Die Zeiten hatten sich eben geändert, und eine Dame des Adels verhielt sich heute nicht anders als eine ganz normale, einfache Frau.
„Sie hätten sich auch mit meiner Verwalterin in Verbindung setzen können“, sagte Mabel. „Mrs Penrose kümmert sich in erster Linie um die Veranstaltungen und …“
„Ich wollte aber Sie kennenlernen“, unterbrach Michelle sie bestimmt. „Sie sind die Eigentümerin von Higher Barton, und ich verhandle lieber mit dem Kuchen als mit dem Krümel. Das verstehen Sie doch?“
Mabel nickte und war versöhnt. Michelle war also doch nicht so schlicht, wie es auf den ersten Blick schien. Vor allen Dingen war sie offenbar eine Frau, die genau wusste, was sie wollte, und wahrscheinlich daran gewöhnt war, es zu bekommen.
„Selbstverständlich“, antwortete Mabel freundlich. „Sagen Sie mir einfach, was Sie sich vorstellen. Sie erlauben, dass ich mir ein paar Notizen mache?“ Ihrer Handtasche entnahm Mabel einen kleinen Notizblock, einen Kugelschreiber, den sie immer bei sich trug, und ihre Nahsichtbrille, denn ihre Augen waren eben nicht mehr die jüngsten. „Als Erstes – wann soll die Feier stattfinden?“
Michelle nahm ein zweites Stück Schokoladentorte von dem Servierwagen, den der Kellner neben ihrem Tisch stehen gelassen hatte, und trank einen Schluck Tee, bevor sie Mabels Frage beantwortete: „Am Samstag in drei Wochen. Ich hoffe, das ist nicht zu knapp.“
Mabel schluckte und runzelte die Stirn. Das war mehr als knapp, und sie wusste im Moment nicht, ob Higher Barton an diesem Wochenende überhaupt noch frei war, denn den Kalender führte Emma Penrose. Daher sagte sie: „Ich werde sehen, was sich machen lässt, Lady Michelle.“
Die junge Frau nickte zufrieden und fuhr fort: „Also, es handelt sich um den sechzigsten Geburtstag meines Mannes und ich möchte …“ Als sie sah, wie Mabel stutzte, sagte sie schnell: „Bevor Sie fragen – ja, Lord Douglas Carter-Jones, mein Mann, ist deutlich älter als ich, nämlich etwas mehr als dreißig Jahre.“
„Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig“, versicherte Mabel rasch und ärgerte sich, ihre Überraschung nicht besser verborgen zu haben. Schließlich handelte es sich um eine geschäftliche Angelegenheit, und das Privatleben ihrer Auftraggeberin war völlig ohne Belang. „Mit wie vielen Personen rechnen Sie?“, fragte sie geschäftsmäßig.
„Nun, vierhundert werden es schon werden.“
Dieses Mal blieb Mabel ruhig, obwohl sie innerlich vor Freude tanzte. Das würde eine der größten Veranstaltungen werden, die sie und Emma Penrose jemals organisiert hatten. Drei Wochen waren zwar sehr knapp, aber es war durchaus zu schaffen, wenn sie sich bemühten.
„Sie müssen wissen, Miss Mabel“, fuhr Michelle fort, „mein Mann möchte seinen Geburtstag nicht feiern. Am liebsten wäre es ihm, wenn wir diesen Tag einfach ignorieren würden. Ich bin aber der Meinung, sechzig Jahre sind ein Grund, es richtig krachen zu lassen. Außerdem finden auch seine Ärzte, dass er sich nicht immer verkriechen sollte. Etwas Abwechslung und Leben in der Bude täten ihm nämlich gut.“
Mabel verkniff sich die Frage, ob Lord Carter-Jones krank sei, und notierte die üblichen Wünsche bezüglich des Essens, der Musik, der Bedienung und der Dekoration. Außerdem klärte sie, ob Gäste erwartet würden, die eine Übernachtungsmöglichkeit auf Higher Barton brauchten. Nach einer Stunde hatte sie alle Fakten beisammen: Michelle wünschte ein erlesenes Büfett vom besten Caterer in Truro, rund ein Dutzend Gästezimmer, da einige Gäste von weiter her anreisen und über Nacht bleiben würden, sowie eine separate Bar, an der Champagner und Cocktails ausgeschenkt werden sollten.
„Ich habe mich im Internet kundig gemacht“, sagte Michelle. „Higher Barton verfügt über einige große Räume. Ich dachte, wir engagieren zwei Kapellen – ein klassisches Streichquartett für die große Halle und eine Band mit flotter Tanzmusik für die Jüngeren. Diese könnte im Salon im ersten Stock spielen, so würden sich die beiden Kapellen akustisch nicht in die Quere kommen.“
Mabel nickte wohlwollend. „Sie haben sich wirklich gut informiert“, meinte sie. „Ja, wenn je eine Kapelle in der Halle und im Salon im ersten Stock spielt, stören sie sich gegenseitig nicht. Außerdem ist es bei der
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