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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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nicht
verwundere, denn Joe sei sowieso nie sehr gesprächig gewesen.
    »Kommen Sie, Mrs. Kelling«, Bittersohn
hatte offensichtlich inzwischen eine Art offizielle Funktion übernommen,
jedenfalls versuchten die Wächter nicht einmal, ihn und Sarah aufzuhalten,
ließen jedoch sonst niemanden auf die Treppe. Es strömten immer noch Nachzügler
aus dem Tintoretto-Saal, aber als die beiden schließlich den zweiten Stock
erreichten, waren sie ganz allein in dem geräumigen Marmortreppenhaus. Selbst
die Wachen vom ersten Stock hatten ihre Posten verlassen, um unten im Hof bei
der Bändigung der Massen zu helfen.
    »Verdammt gute Gelegenheit zum Klauen«,
bemerkte Bittersohn. »Alles völlig unbewacht. Nein, doch nicht, ich habe mich
offenbar geirrt. Eine treue Seele hat das sinkende Schiff noch nicht
verlassen.«
    »Wer denn?« fragte Sarah, die froh war,
daß sie sich einen Moment ausruhen und Atem schöpfen konnte, und sah sich um.
»Oh, Sie meinen den goldigen kleinen Wächter da unter dem falschen Romney?
Herrje, das ist ja mein Cousin Brooks!«
    Sie stürzte durch die Halle, die Madam
Wilkins den Großen Salon getauft hatte und die mit Sänften und alten Rüstungen
vollgestellt war, in die unmöglich einmal irgend jemand hineingepaßt haben
konnte.
    »Cousin Brooks, was machst du denn
hier?«
    »Guten Tag, Sarah.« Der ältere Herr
begrüßte sie herzlich, behielt jedoch weiterhin seine Umgebung im Blick. »Wie
nett du in dem blauen Kleid aussiehst! Deiner Mutter hat es auch immer
hervorragend gestanden. Du entwickelst dich ja allmählich zu einer bildhübschen
jungen Dame.«
    »Wird ja auch langsam Zeit, findest du
nicht? Nächsten Monat werde ich immerhin 27.«
    »Ach du liebe Zeit. Jem hat mir
übrigens erzählt, daß du dein Haus in eine Pension verwandelt hast. Das mit dem
armen Alex hat mir wirklich leid getan. Ich kann mich gar nicht erinnern, ob
ich dir überhaupt schon kondoliert habe.«
    »Hast du, und zwar in einem sehr lieben
Brief aus Süd-Dakota, glaube ich. Du hast dort Vorträge über deine
Indianerfunde gehalten.«
    »Stimmt. Jetzt trete ich als
Vogelstimmenimitator auf Kinderfesten auf. Für den Fall, daß — eh — « Er
blickte auf Bittersohn.
    Sarah errötete. »Oh, Verzeihung. Darf
ich dir einen meiner Pensionsgäste, Mr. Max Bittersohn, vorstellen? Daß Brooks
auch ein Kelling ist, brauche ich sicher nicht zu sagen. Ich weiß allerdings
nicht genau, um wieviel Ecken herum wir verwandt sind, und ich habe keine
Ahnung, was Brooks hier macht.«
    »Ich bin genau genommen dein Onkel
siebten Grades, und ich bin hier, weil ich einer Freundin einen Gefallen tue.
Haben Sie eben Bittersohn gesagt?«
    »Ich nicht, aber Ihre Nichte. Ja, Sie
haben ganz richtig gehört.«
    »Nicht etwa der Max Bittersohn, der dem
alten Thaddeus damals seine Corots zurückgebracht hat? Ich wußte doch, ich habe
Sie irgendwo schon mal getroffen. Eine Zeitlang war ich Ihr Hauptverdächtiger,
erinnern Sie sich? Nett, Sie wiederzusehen, Sir.« Brooks drückte Bittersohns
Hand genauso herzlich, als wären sie in derselben Freimaurerloge.
    »Meine Güte, das ist wirklich die
schönste Überraschung, seit ich eine Hudson-Uferschnepfe über die Hatch
Memorial Shell zwei Grad nordöstlich von Harry Ellis Dickson habe fliegen
sehen. Darf ich mir die neugierige Frage erlauben, ob Sie mir wieder auf den
Fersen sind? Gibt es etwa irgendwelche Unstimmigkeiten bei den Murillos?«
    »Wenn ich das nur wüßte.« Bittersohn
genoß das Wiedersehen ebenfalls. »Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, daß ein
Wächter namens Joe Witherspoon vor etwa drei Minuten einen Kopfsprung vom
Balkon gemacht hat und in den Hyazinthen gelandet ist. Wissen Sie irgend etwas
darüber?«
    »Deshalb also der ganze Tumult im Hof?
Hatte mich schon gewundert.«
    »Sie sind nicht hingegangen und haben
nachgesehen?«
    »Wo denken Sie hin? Woher soll ich
wissen, daß nicht alles absichtlich inszeniert wurde, um mich hier von meinem
Posten wegzulocken? Natürlich habe ich Witherspoon gekannt. Er hätte eigentlich
dort drüben im Tizian-Saal sein sollen.« Kelling zeigte auf die
gegenüberliegende Seite des Großen Salons. »Was hat er denn auf dem Balkon
gewollt?«
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir
diese Frage beantworten.«
    »Sie können mir glauben, daß ich nichts
lieber täte, als Ihnen zu helfen, soweit es in meiner Macht steht, aber ich
weiß leider gar nichts. Ich habe Joe das letzte Mal gesehen, als er heute zum
Dienst erschien, kurz bevor das Museum

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