Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
aufmachte, und das ist sonntags um ein
Uhr, wie Sie vielleicht wissen. Ich habe meinen Kopf zu ihm reingesteckt und
ihm gesagt, daß ich heute für Jimmy Agnew einspringe, der sonst normalerweise
hier ist. Joe schien mir genauso zu sein wie immer.«
    »Sie haben nicht gesehen, wie er aus
dem Tizian-Saal gekommen ist?«
    »Nein, habe ich nicht. Wie Sie wohl
schon festgestellt haben, ist meine Sicht von all den schäbigen, alten,
zusammengebrochenen Sänften, mit denen Mrs. Wilkins ihr Heim vollzustopfen
beliebte, völlig blockiert.«
    »Sah er denn irgendwie deprimiert aus,
als Sie mit ihm gesprochen haben?«
    »Joe sah immer deprimiert aus.«
    »Hat er zufällig den großen Tizian
erwähnt? Hat er Ihnen vielleicht erzählt, daß irgend etwas damit nicht
stimmte?«
    »Mein lieber Mr. Bittersohn«, sagte
Brooks Kelling herzlich, »mit Lucretia stimmt alles. Ich bedaure allerdings aus
tiefstem Herzen, daß mir noch nie eine Dame mit diesen Proportionen über den
Weg gelaufen ist, sonst wäre ich heute mit Sicherheit kein einsamer
Junggeselle. Hätte Joe irgendeine Bemerkung in dieser Hinsicht fallenlassen,
hätte ich ihm natürlich heftigst widersprochen, aber er hat kein Wort gesagt.
Er hat nie sehr viel mit mir geredet. Wenn er überhaupt mit jemandem gesprochen
hat, dann wohl eher mit Brown, dessen Aufgabe darin besteht, die Korridore
abzugehen und dabei ein möglichst dienstliches Gesicht aufzusetzen. Wenn jemand
Joe hat fallen sehen, ist es Brown gewesen. Wenn es einer von uns gesehen hat,
dann war es sicher Brown.« Er sprach lauter. »Brown? Brown?«
    Niemand antwortete.
    »Vielleicht ist er nach unten
gegangen«, vermutete Sarah. »Oder vielleicht — wartet mal, ich glaube, da kommt
jemand.«
    »Das ist nicht Brown«, sagte ihr Cousin
verärgert, als ein anderer Wächter sich zwischen den Sänften
hindurchschlängelte. »Das ist Vieuxchamp, und der sollte eigentlich jetzt bei
den Uccellos sein. Warum bist du nicht auf deinem Posten, Vieuxchamp?«
    »Immer mit der Ruhe, Kelling. Keiner
hat das Stockwerk verlassen, und die Polizei läßt niemanden hoch. Wer sind denn
diese Leute hier, und warum brüllst du nach Brownie?«
    »Das ist Mr. Bittersohn, und er möchte
gern Brown fragen, wer Joe Witherspoon über die Balkonbrüstung gestoßen hat.«
    »Gestoßen? Gott im Himmel, wer hätte
das gedacht?« Vieuxchamp drehte sich auf dem Absatz um und steuerte auf die
Bogengänge zu. »Ich suche in den Korridoren. Du schaust in der Kapelle nach.
Brownie? He, Brownie, wo bist du?«
     
     

Kapitel 2
     
     
     
     
     
     
     
    E s war Sarah, die schließlich den vermißten
Wächter fand. Er lag völlig bewegungslos in einem Chorgestühl aus dem zwölften
Jahrhundert, hatte die Augen geschlossen und jammerte leise. Cousin Brooks zog
eine Ammoniakampulle hervor und zerbrach sie unter der Nase des Mannes. Brown
würgte, spuckte und versuchte sich aufzusetzen, was ihm jedoch nicht gelang,
denn er war recht beleibt und zu sehr eingeklemmt. Brooks und Max Bittersohn
mußten die wuchtige, mit Schnitzereien verzierte Eichenbank hochhieven, um ihn
zu befreien. Vieuxchamp, der behauptete, er habe einen beidseitigen
Leistenbruch, trug zur Rettungsaktion nur insofern bei, indem er fragte: »Wie
zum Teufel bist du bloß unter das Ding gekommen?«
    »Weiß ich auch nicht«, erwiderte Brown
benommen. »Ich machte gerade meine Runde, und irgend jemand hat mich von hinten
überfallen. Fehlt denn irgendwas?«
    »Ja, Joe Witherspoon. Er ist vom Balkon
gestürzt und hat sich den Schädel aufgeschlagen. Das Gehirn ist über den ganzen
Hof verspritzt«, erläuterte Vieuxchamp mit einer Begeisterung, die Sarah entschieden
fehl am Platze fand.
    »Was du nicht sagst! Was hatte Joe
denn? Ist ihm etwa schwindelig geworden oder — ach herrje.« Brown kam mühsam
wieder auf die Beine. »Ich verstehe.«
    Die Kapelle wurde nur vom Schein
einiger Votivkerzen auf einem Kerzenständer erhellt. Es dauerte einen Moment,
bis die anderen das Durcheinander von Silbergerätschaften neben dem Altar
entdeckt hatten.
    »Schaut euch das mal an! Die haben
versucht, das Kirchensilber zu stehlen. Ich kam in ihre Nähe, und da haben sie
mich einfach niedergeschlagen und unter die Kirchenbank verfrachtet. Joe hat
den Krach gehört und ist gekommen, um nachzusehen, was passiert ist, also haben
sie ihn über die Balkonbrüstung gestoßen, damit er den Mund hält. Dann ist
ihnen bewußt geworden, was sie getan haben, und sie haben beschlossen, daß es
besser wäre,

Weitere Kostenlose Bücher