Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
machte das Atmen schwer. Sie ertastete im Dunkeln die Messingstehlampe, betätigte den Schalter - und nichts geschah. Verdammt! Sie hasste es, in Dunkelheit aufzuwachen, und sorgte in der Regel für eine Lichtquelle.
Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an das Dunkel. Blinzelnd suchte sie zwischen und hinter den Kartons, die sie den ganzen Tag gepackt hatte. Offenbar hatte Greg sich nicht die Mühe gemacht, nach Hause zu kommen. Seine geräuschvolle Heimkehr wäre ihr nicht entgangen. Gut, dass er nicht da war. Seine Temperamentsausbrüche würden nur die Möbelpacker verprellen.
Sie versuchte sich aus dem Liegesessel zu erheben und hielt inne, als ein scharfer Schmerz über ihren Bauch schoss. Sie griff danach, als könnte sie den Schmerz fangen und an seiner Ausbreitung hindern. Etwas Warmes, Klebriges durchfeuchtete ihr T-Shirt. Allmächtiger, was war denn nun los? Vorsichtig zog sie den Shirtsaum hoch und erkannte es trotz Dunkelheit. Sie fröstelte, und ihr wurde übel. Ein Schnitt verlief von unterhalb der linkenBrust quer über den Bauch. Das Blut daraus durchnässte ihr T-Shirt und tropfte auf den Stoff des Liegesessels.
Maggie sprang auf, bedeckte die Wunde und presste das Shirt darauf, um die Blutung zu stoppen. Sie musste den Notarzt rufen. Wo, zum Kuckuck, war das Telefon? Wie hatte das geschehen können? Die Narbe war über acht Monate alt, und doch blutete sie so heftig wie am Tag, als Albert Stucky sie ihr beigebracht hatte.
Auf ihrer Suche stieß sie Kisten um. Deckel sprangen auf und verteilten Tatortfotos, Toilettenartikel, Zeitungsausschnitte, Unterwäsche, Socken und andere Utensilien über dem Boden. Alles, was sie so sorgfältig verpackt hatte, flog, rollte, schlitterte und krachte plötzlich zu Boden.
Dann hörte sie ein Wimmern.
Sie verharrte und hielt lauschend den Atem an. Ihr Puls schlug bereits zu heftig. Ruhig. Sie musste Ruhe bewahren. Langsam drehte sie sich um und lauschte erneut mit leicht geneigtem Kopf. Ihr suchender Blick schweifte über Schreibtisch, Kaffeetisch und Regal. Lieber Gott, wo hatte sie bloß ihre Waffe gelassen?
Schließlich entdeckte sie das Holster am Fuß des Sessels. Natürlich hatte sie es bei sich behalten, als sie sich schlafen legte.
Das Wimmern wurde lauter, ein hohes Weinen, wie von einem verwundeten Tier. Oder war das ein Trick? Maggie bewegte sich wieder auf den Sessel zu, der Blick schweifte wachsam umher. Jetzt nahm sie auch noch einen üblen Geruch wahr. Das Holster in der Hand, schlich sie auf Zehenspitzen zur Küche. Je näher sie kam, desto deutlicher wurde der Geruch. Es roch nach Blut. Der Gestank stach ihr in Nase und Lungen.
Leicht geduckt schlich sie durch die Tür. Obwohl vom Geruch gewarnt, japste sie vor Schreck. Eine Wand der mondhellen Küche war mit Blut bespritzt, und eine Blutlache schwamm auf den Keramikfliesen. Überall Blut auf den Arbeitsflächen, und es tropfte vonden Geräten. Am Ende des Raumes stand Albert Stucky. Eine große, schlanke Gestalt, die sich über eine wimmernde kniende Frau beugte.
Maggie spürte ein Kribbeln im Genick. Wie, um alles in der Welt, war er in ihre Wohnung gekommen? Dennoch war sie nicht überrascht, ihn zu sehen. Hatte sie nicht sogar mit ihm gerechnet, ja, ihn geradezu erwartet?
Stucky riss den Kopf der Frau an den Haaren zurück und hielt ihr ein Messer an die Kehle. Maggie unterdrückte ein weiteres Japsen. Er hatte sie noch nicht bemerkt, und sie presste sich im Dunkeln an die Wand.
Langsam, nur die Ruhe! wiederholte sie im Geiste wie ein Mantra. Sie hatte sich auf diesen Augenblick vorbereitet, hatte sich seit Monaten davor gefürchtet und davon geträumt. Jetzt war nicht der Moment, vor Angst und Panik die Nerven zu verlieren. Sie lehnte sich gegen die Wand, um sicheren Stand zu haben, obwohl ihr Rücken schmerzte und die Knie zitterten. Aus diesem Winkel hatte sie eine gute Schussposition. Sie wusste, dass sie nur einen Schuss haben würde, mehr brauchte sie auch nicht.
Maggie versuchte die Waffe aus dem Holster zu ziehen. Es war leer! Wie konnte das sein? Sie fuhr herum und blickte suchend über den Boden. War sie heruntergefallen? Warum hatte sie es nicht bemerkt?
Plötzlich merkte sie, dass ihre Schreckreaktion sie verraten hatte. Als sie aufblickte, streckte die Frau flehentlich die Arme nach ihr aus. Doch Maggie sah an ihr vorbei, in die Augen von Albert Stucky. Der lächelte. Und in einer blitzartigen Bewegung schnitt er der Frau die Kehle durch.
„Nein!“
Maggie
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