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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Handy zu, steckte es in die Tasche, stand auf und bemerkte, dass der kleine Typ immer noch größer war als ich.
    »Die Benutzung von Mobiltelefonen ist in diesem Gebäude untersagt«, erklärte er.
    Hatte die Empfangssekretärin ihn angerufen? Ich hatte sie nicht gehört. Gab es unter ihrem Schreibtisch einen speziellen Knopf für Handy-Notfälle?
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Ich muss Sie bitten, mir Ihr Telefon auszuhändigen«, sagte er und streckte die Hand aus.
    »Das wird nicht reichen«, sagte ich. »Sie müssen es sich auch holen.«
    Der kleine weiße Mann zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. Sie waren noch kein bisschen angegraut.
    »Sie möchten Miss Lowry sprechen?«
    Also war er nicht wegen des Telefons gekommen.
    »Ja.«
    »Mein Name ist Alton Plimpton«, sagte der Mann. »Ich bin leitender Manager bei Rutgers.«
    »Was genau bedeutet das?«
    »Alle leitenden Empfangssekretärinnen berichten an mein Büro«, erklärte er stolz.
    Ich sah, dass er von mir erwartete, schwer beeindruckt zu sein.
    »Und Miss Lowry?«
    »Sie ist nicht da, und ihr Vorgesetzter ist indisponiert, also bin ich gekommen, um zu sehen, ob ich helfen kann.«
    »Miss Lowry berichtet nicht an Sie?«
    »Nein.«
    »Arbeitet sie für Ihren Chef?«
    »Ähm … nein.«
    »Dann können Sie mir nicht helfen.«
    »Aber sie ist nicht da.«
    Ich setzte mich.
    »Ich wüsste keinen Ort, wo ich lieber warten würde. Was könnte man in einem Zimmer wie diesem auch anderes tun?«
    »Sie können nicht warten, wenn sie nicht hier ist.«
    »Wenn sie nicht hier ist«, meinte ich, »warum haben Sie mich dann überhaupt reingelassen?«
    »Mr. McGill …«
    »Mr. Plimpton, ich werde auf dieser Couch sitzen bleiben und warten, bis ich entweder mit Miss Lowry oder mit jemandem sprechen kann, an den sie berichtet. Sie können in Ihr Rattenlabyrinth zurückkehren und der Königsratte melden, dass ich das gesagt habe.«
    Die hagere Gestalt des Empfangsmanagers wurde von einem Zittern erfasst. Beinahe hätte er etwas gesagt, ließ es dann aber doch. Er drehte sich um, verschwand durch die braune Tür und ließ die Empfangssekretärin zurück, die mich wütend anstarrte.
    Ich legte meine Hände mit den Handflächen nach oben auf die Knie, stierte leeren Blickes auf den Türknauf, zählte die Atemzüge und leerte meinen Geist von aller Bosheit und Liebe.

20
    Die Zen-Übung beruhigte mich, das Aspirin drängte den Fieberschub zurück. Unter Einfluss dieser beiden Formen der Selbstmedikation schweiften meine Gedanken zu Einzelheiten der vergangenen Tage, zu meinem schwermütigen leiblichen Sohn und dem wilden Twill; zu Zella, meinem Opfer und Klotz an meinem Bein; und zu Aura …
    Der Türknauf drehte sich, und heraus kam eine stämmige Schwarze mit schulterlangen geglätteten Haaren und einem ockerfarbenen Kostüm, das ihre Figur betonte, ohne es zu übertreiben. Auch ohne Absätze wäre sie gut zwei Zentimeter größer gewesen als ich.
    »Mr. McGill?«
    »Ja?«
    »Special Investigator Antoinette Lowry. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
    Ich stand auf, spürte die Leichtigkeit nach der Meditation und trat hinter der forsch voranschreitenden Agentin durch die Tür. Hier und da bogen wir ab, gingen endlose Flure entlang und kamen dabei an vielen geschlossenen Türen vorbei. Schließlich erreichten wir das Ende des Labyrinths und standen vor einer schwarzen Tür, auf der der Name meiner Führerin stand. Sie betrat das Zimmer und erwartete offensichtlich, dass ich ihr folgte. Das tat ich.
    Das Erste, was einem an Antoinette Lowrys Büro auffiel, war, wie klein es war – knapp drei Meter breitund nur wenige Schritte vom Eingang zur Fensterwand. Das Fenster hätte die Illusion von Weite vermitteln können, wenn der Blick nicht auf ein Bürogebäude direkt gegenüber gegangen wäre. Die Straße, die Rutgers von dem Nachbarn trennte, war so schmal, dass es einem vorkam, als ob die Frau, die gegenüber am Schreibtisch saß, wenn sie wollte, nur den Arm hätte ausstrecken müssen, um Antoinettes Schultern zu berühren. Diese Intimität machte den Arbeitsraum der Sonderermittlerin noch enger.
    Antoinettes Schreibtisch war gerade breit genug für eine durchgehende Schublade, weitere Möbel gab es nicht bis auf einen Stuhl aus Walnussholz, auf den sie wies, während sie sich seitlich durch den engen Spalt zwischen Wand und Schreibtisch drückte. Wir setzten uns beide und nahmen uns in dieser sargartigen Kammer von Büro kurz Zeit, einander zu betrachten.
    Antoinette

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