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Die falsche Herrin

Die falsche Herrin

Titel: Die falsche Herrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margrit Schriber
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«Der Anfang vom Ende.»
    So habe sie gesagt. Das Fräulein Reding zur jungen Bitzenin. Mit Hochmut habe sie es gesagt. Und mit Betonung auf Ende. Obwohl das hohe Fräulein die Bitzenin nicht gekannt hat. Gar nicht kennen konnte. Als Tochter des Landammanns und Richters bewegt sie sich in einem ganz anderen Kreis. Lädt ihresgleichen zu einer Soiree, einem Tee, einem Rundgang im Garten.
    Sie kenne nicht einmal die eigenen Waschfrauen, heißt es. Noch weniger eine Auswärtige. Geschweige denn eine wie die Bitzenin.
    Ins Dorf Schwyz geht Fräulein Reding zum Besuch der Sonntagsmesse. Danach kehrt sie wieder zum Familiensitz auf der Anhöhe zurück. Schlüpft durchs Portal mit den vergoldeten Lanzen, und ihr Anblick bleibt dem Dorf für eine Woche durch Mauern verwehrt.
    An einem Sonntag lauerte ihr die Bitzenin hinter dem Apfelbaum auf.
    Plötzlich schieße das Mädchen aus seinem Versteck hervor und stürze sich auf sie.
    «Ich bin erschrocken. Zu Tode!»
    Die Redingin erinnert sich, als wär’s gestern erst gewesen. Sie erzählt es dem Fremden. «Ich wollte schreien. Doch die Angreiferin war fast noch ein Kind. Es verbarg etwas in den Fäusten. Erklärte nichts, stand einfach da, stumm, hob nur die Arme und öffnete vor meinen Augen die Hände. Da lagen zwei Haarkämme, mit Silber ziseliert. Meine Kämme! Ich muss sie wohl im Gedränge der Messbesucher verloren haben. Wenn das Mädchen mir sie nicht gar heimlich aus den Locken gezogen hat, um sie mir hernach gegen einen Batzen anzubieten. Es legte den Kopf zur Seite. Das lange Haar floss ihm in einer Welle über den Nacken, entblößte das rotseidene Halstuch und die rechte Schulter. Und ich bemerkte, dass die Bluse dort mit Blut gesprenkelt war. Das Mal einer Peitsche. Bon Dieu! Ein halbes Kind. Und für immer gezeichnet.»
     
     
    Die Herrentochter rede mit einem Fremden über Anna Maria Inderbitzin. Er notiere, was sie erzählt. Niemand wisse, warum.
    «Die Bitzenin Genannte ist eine der Unseren», sagen die Waschfrauen von Zug. «Sie steht nicht mehr im Dienst von Meister Bossert. Mehr als ein Jahr ist das her. Er hat sie verklagt, und sie wurde bestraft.»
    An einem Sonntag sei sie dann in Schwyz am Hoftor ihres Richters gestanden. Sie bot dessen Tochter zwei Haarkämme an.
    Die Waschfrauen können das Bild vor sich sehen. Sie setzen sich auf die Fersen zurück, legen den Kopf in den Nacken und pflücken die Bilder vom Himmel. Eins ums andere.
    «Da ist die Kleine. Und dort ist die Redingin. Sie taumelt. Bon Dieu! Dann nimmt sie die Kämme, hebt beide Hände wie weich aufschwingende Flügelspitzen zum Kopf, steckt das Silber in ihre Locken und wendet sich abrupt von der Kleinen ab.
    Diese schaut ihr nach, aufmerksam und staunend. Sie studiert jede Geste der hohen Dame. Das Raffen der Röcke, die Drehung ihrer Schulter, das Vorneigen und Nachwippen des Kopfs auf dem biegsamen Hals, das Aufsetzen und Abrollen des Schuhs. Noch nie hat Anna Maria jemanden mit näselndem Tonfall reden gehört. Nie ein französisches Wort vernommen. Nie durch eine Torspalte in einen so schönen Garten hineingeblickt… Die Tochter ihres Richters geht über Blumen.»
     
     
    Am 28. März 1722 stand die Bitzenin vor Gericht. Es wurde dem Landrat die Klage von Joannes Bossert gegen sein Mündel eröffnet.
    Er sagt aus, das Mädchen habe ihn bestohlen. Ihn, den Vormund, der wie ein Vater war. Anna Maria sei vom rechten Weg abgekommen. Trotz aller Mühe von Joannes Bossert.
    Er schlägt sich mit der Faust auf die Brust und schildert den Vorfall von Anbeginn. Seine Aufgabe als Vormund habe er auf mehrfache Bitte des Landes Schwyz übernommen. Obwohl man ihm so gut wie nichts bezahlt habe. Anna Maria war sechs Jahre alt, als man sie ihm nach Zug überstellte. Aber was Bossert dann abgeliefert wurde, das war kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein Fädchen, durchsichtig, schwach und kränkelnd. Ein Luftzug hätte es fortblasen können. «Gnädige Herren, die Kleine war unbrauchbar. Eine Müh und Last. Sank mit dem Bügeleisen zu Boden. Fiel mit der nassen Wäsche vornüber in den See. Oder verschlief gar auf einem Lilachenbündel den Waschtag am Wasser. Wie ein Büchsenschuss fuhr das Kind jeweils aus der Wäsche, wenn ich meinen Knüppelstock auf den Boden stieß.»
    Er habe die Kleine aufgepäppelt, durchgefüttert, gekleidet, beherbergt und zu einem christlichen Leben angehalten, zum Besuch der Beichte und der Kinderlehre des Pfarrers. Denn er habe sein Wort gegeben. Das Wort

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