Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
erzählt, den Blancheforts eine andere – und mir? Nun, gewisse Fakten konnte er mir gegenüber nicht leugnen. Gleich ihm war auch mir bei Barthélémys Beschreibung: am auffälligen Bogen, den der Rialsesse macht, sofort klargeworden, dass das geheimnisvolle Grabmal eng mit diesem einen seltsamen Pergament zusammenhängen musste, das Bérenger im Baluster entdeckt hatte. Denn war hier nicht verschlüsselt zu lesen gewesen: Der Dämon des Tanzfestes hat dort seinen Bogen gespannt?
„An guten Tagen sei guter Dinge, und am bösen Tag bedenke: diesen hat Gott gemacht wie jenen, damit der Mensch nicht wissen soll, was künftig ist, Marie“, hatte Bérenger gemeint, als er mein entgeistertes Antlitz sah, nachdem er mich gebeten hatte, ihm auf dem Gottesacker behilflich zu sein, Gräber auszuheben.
„Aber was willst du mitten in der Nacht auf dem Friedhof?“
Bérengers Augen hatten unruhig geflackert. „Also, ich muss ein paar Gräber öffnen.“
„Wie bitte? Was willst du tun?“
„So reg dich nicht gleich auf, Marie! Lass mich nur machen.“
Seine Lippen kräuselten sich, als er meine Hände in die seinen nahm, und dann redete er intensiv auf mich ein: „Marie, ich verlasse mich auf dich, wie ich das immer getan habe. Ich weiß, dass du keine Zimperliese bist, wie dein Bruder sagt, sonst wärst du bereits damals, beim Anblick des alten Merowingerschädels, in Ohnmacht gefallen. Ich brauche deine Unterstützung. Es ist wichtig.“
Ich überlegte kurz und sagte dann:
“Gut, ich werde dir helfen. Jedoch nur unter einer Bedingung: Sag mir offen und ehrlich: Hat die Sache mit dem Grabmal am Rialsesse zu tun? Habt ihr euer Arkadien endlich gefunden? Ja oder nein?“
„Ja.“ Bérenger sah abgespannt aus. Erleichtert, weil ich ihm meine Hilfe zugesagt hatte, ließ er sich jetzt in einen Sessel fallen, zog die Stiefel aus, legte die Beine auf den schönen, mit Gobelinstoff bezogenen Hocker und erzählte dann, was sie im Tal entdeckt hatten:
„Nach langem Hin und Her hatten wir endlich diesen Hügel ausfindig gemacht. Was uns beide beeindruckt hat, war, dass die Felsformationen im Hintergrund denen auf Poussins Bild fast aufs Haar gleichen. Der Sarkophag aber war, genau wie dein Bruder es geschildert hatte, tatsächlich nicht als solcher zu erkennen. Er war völlig mit Farnen, Moos und Efeu überwuchert. Boudet und ich versuchten, den Deckel anzuheben, vergeblich. In der darauffolgenden Nacht probierten wir es erneut. Unter viel Mühe und dem Einsatz schweren Werkzeugs gelang es uns endlich, ihn ein kleines Stück zur Seite zu schieben. Wir leuchteten in die Tiefe – doch da war nichts, absolut nichts. Der Sarkophag war leer und auch vom Arcadia-Spruch keine Spur.“
Schande und Schmach, fuhr es mir durch den Kopf. War das, was die beiden umgetrieben hatte, tatsächlich nur ein Hirngespinst, ein Phantom gewesen? Würden sie jetzt endlich diese fruchtlose, nervenaufreibende Suche aufgeben?
Bérenger schloss die Augen und fuhr dann fort:
„Enttäuscht fuhren wir zurück, und ich quartierte mich zur Abwechslung einmal bei Boudet ein. Am nächsten Morgen diskutierten wir in aller Ruhe, wie es weitergehen sollte, und beschlossen dann, Abbé Gélis aus Coustaussa in unser Rätsel einzuweihen, der sich, wie Boudet meinte, mit historischen Dingen sehr gut auskenne und zugleich überaus verschwiegen sei. Gélis kam nun auf die Idee, zuerst einmal nachzuforschen, wer zu Bigous Zeiten eigentlich als Besitzer jenes Hügels eingetragen war. Zu unser aller Überraschung erfuhren wir auf dem Katasteramt, dass sich das Grabmal am Rialsesse, ´Les Pontils` genannt, im Besitz der Familie d`Hautpoul-Blanchefort, der Schlossherren von Rennes-le-Château, befunden hat. Erneut hatte die Freifrau ihre Hände im Spiel gehabt. Unter dem Jahr 1789 fanden wir einen höchst seltsamen Eintrag. Bigou habe - nachdem er die Erlaubnis seines Bistums eingeholt hatte - eine große Steinplatte mit der Aufschrift Et in Arcadia ego von dem Grabmal in Les Pontils entfernt und nach Rennes-le-Château gebracht. Nun waren wir mehr als verblüfft. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?“
Heilige Jungfrau! Waren Bérenger und Boudet seit Jahren davon besessen, durch tausenderlei Widersprüche ebenso viele Spuren in dieser Angelegenheit zu verfolgen wie zu verwischen, so hatten sie offensichtlich in Bigou ihren Meister gefunden!
„Nun musst du wissen, Marie, was an dem ganzen Vorgang so außerordentlich ungewöhnlich war. Bigou hatte sein
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