Marissa Blumenthal 01 - Virus
Haupteingang erhob sich, aus dem Vordach aufragend, ein runder Balkon, überragt von einer Kuppel, die derjenigen auf dem Turm entsprach.
Die Szenerie wirkte sehr festlich. Aus jedem Fenster des Hauses strahlten die Lichter. Marissa fuhr ums Haus herum auf die linke Seite, wie Ralph es ihr empfohlen hatte. Sie glaubte, ein bißchen spät dran zu sein, aber es standen noch keine anderen Autos da.
Als sie am Haus vorbeifuhr, warf sie einen Blick zu der Feuerleiter hinauf, die vom dritten Stock herunterlief. Sie war ihr eines Abends aufgefallen, als Ralph noch einmal angehalten hatte, weil er seinen Piepser vergessen hatte. Er hatte ihr erklärt, daß die vorherigen Eigentümer dort oben Zimmer für Bedienstete eingerichtet hätten und deshalb vom städtischen Bauamt gezwungen worden seien, diese Feuerleiter anzubringen. Das schwarze Eisen stach grotesk von den weißen Holzwänden ab.
Marissa parkte vor der Garage, deren unregelmäßige Form der des Hauses entsprach. Sie klopfte an die Hintertür, die sich in einem modernen Anbau befand, den man von der Vorderfront her nicht sah. Niemand schien sie zu hören. Als sie durchs Fenster blickte, sah sie, daß in der Küche Betrieb herrschte. Sie verwarf den Gedanken, einfach zu probieren, ob die Tür unverschlossen sei, ging zur Vorderfront des Hauses und klingelte. Ralph öffnete ihr sofort und begrüßte sie mit einer herzlichen Umarmung.
»Vielen Dank, daß Sie so früh herübergekommen sind«, sagte er, während er ihr aus dem Mantel half.
»Früh? Ich dachte, ich käme zu spät.«
»Aber nein, keineswegs«, sagte Ralph. »Von den Gästen wird wohl niemand vor halb neun dasein.« Er hing ihren Mantel in die Flurgarderobe.
Marissa war überrascht, Ralph im Smoking zu sehen. Obwohl sie anerkennen mußte, daß er darin sehr gut aussah, war sie doch etwas verlegen.
»Ich hoffe nur, daß ich richtig angezogen bin«, sagte sie.
»Sie erwähnten nicht, daß das eine hochoffizielle Angelegenheit ist.«
»Sie sehen bezaubernd aus, wie immer. Ich möchte mich geradezu entschuldigen dafür, daß ich meinen Smoking angezogen habe. Kommen Sie, ich führe Sie herum.«
Marissa folgte ihm und fand einmal mehr, daß er ganz typisch wie ein Arzt aussah, wie man sich den eben vorstellt: kräftig, sympathische Züge und Haar, das gerade an den richtigen Stellen grau wurde.
Die beiden gingen in den Salon, Ralph wies den Weg. Die Ausstattung war beeindruckend, wenngleich etwas kühl. Ein Serviermädchen im schwarzen Kleid brachte Horsd’oeuvres. »Wir werden hier drin anfangen. Drinks gibt es dann an der Bar im Wohnzimmer«, sagte Ralph.
Er öffnete eine große Doppelschiebetür, und sie traten ins Wohnzimmer. Die Bar stand links. Ein junger Mann in roter Weste polierte eifrig Gläser. Hinter dem Wohnzimmer, zugänglich durch einen offenen Bogen, war das offizielle Eßzimmer. Marissa konnte sehen, daß der Tisch für mindestens zwölf Personen gedeckt war.
Sie folgte Ralph durch das Eßzimmer hinaus in den neu angebauten Flügel, der eine Art Wohndiele und eine große moderne Küche enthielt. Die Dinnerparty wurde durch ein Restaurant organisiert, und drei oder vier Leute waren eifrig mit den Vorbereitungen beschäftigt.
Nachdem er sich beruhigt davon hatte überzeugen können, daß alles bestens lief, geleitete Ralph Marissa zurück in den Salon und erklärte ihr, daß er sie deshalb etwas früher hergebeten hätte, weil er hoffte, sie würde die Aufgaben der Gastgeberin übernehmen. Etwas überrascht - denn sie war mit Ralph vielleicht gerade fünf- oder sechsmal ausgegangen -, erklärte sich Marissa einverstanden.
Es klingelte an der Tür - die ersten Gäste waren da.
Leider hatte Marissa bei Vorstellungen die Namen noch nie sonderlich gut behalten können. Immerhin konnte sie sich wegen seines auffälligen Silberhaars nun Dr. Hayward und seine Frau merken, außerdem Dr. Jackson und dessen Frau, die mit einem Diamanten von der Größe eines Golfballs protzte. Die einzigen anderen, an deren Namen sie sich dann noch entsinnen konnte, waren Dr. Sandberg und seine Frau, beide Psychiater.
Marissa bemühte sich um unverbindlich plätschernde Unterhaltung, war eher verschüchtert durch die Pelze und Juwelen. Das hier waren jedenfalls keine Kleinstadtärzte.
Als schon fast jeder im Wohnzimmer mit einem Glas in der Hand herumstand, läutete es ein weiteres Mal. Da Ralph nirgends zu sehen war, ging Marissa und öffnete. Zu ihrer höchsten Überraschung erkannte sie Dr. Cyrill
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