Marissa Blumenthal 01 - Virus
bestanden hatte, gerade am Auspacken, als es an der Tür klingelte. Sie war in Virginia gewesen, wo ihre Familie alles getan hatte, um sie zu verwöhnen. Sogar einen neuen Hund hatten sie ihr geschenkt, den sie sofort »Taffy Zwei« getauft hatte.
Als sie die Treppe hinunterging, konnte sie sich nicht denken, wer sie jetzt besuchen wollte. Sie hatte niemandem den genauen Termin ihrer Rückkehr genannt. Als sie die Tür öffnete, war sie verblüfft, davor Cyrill Dubchek und einen Unbekannten stehen zu sehen.
»Ich hoffe, daß Sie es uns nicht verübeln, daß wir so einfach hier aufkreuzen, aber Dr. Carbonara meinte, daß Sie vielleicht wieder dasein könnten, und Dr. Fakkry von der Weltgesundheitsorganisation wollte sie unbedingt kennenlernen. Es ist heute sein letzter Tag hier in Amerika - heute abend fliegt er nach Genf zurück.«
Der Unbekannte tat einen Schritt auf sie zu und zog den Hut. Dann schaute er Marissa ins Gesicht. Seine Augen erinnerten sie an die Cyrill Dubcheks: dunkel und glänzend.
»Ich fühle mich zutiefst geehrt«, sagte er mit einem knarrenden englischen Akzent. »Ich möchte Ihnen ganz persönlich danken für Ihre großartige Detektivarbeit!«
»Und ohne unsere Hilfe«, gab Dubchek zu.
»Ich bin sehr geschmeichelt«, sagte Marissa und war für einen Augenblick um Worte verlegen.
Dubchek räusperte sich. Marissa fand seinen neuesten Mangel an Selbstbewußtsein höchst anziehend. Wenn er sie nicht gerade wütend machte, war sie gerne bereit zuzugeben, daß er eigentlich sehr nett war.
»Wir dachten uns, daß Sie eigentlich ganz gern wüßten, was nun tatsächlich ablief«, sagte er. »Der Presse haben wir so wenig Details wie möglich zugänglich gemacht, aber sogar die Polizei ist einverstanden, daß man Sie ins Vertrauen zieht.«
»Ich würde wirklich gerne alles über die Geschichte hören«, gab Marissa zu. »Aber kommen Sie doch bitte herein und nehmen Sie Platz. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Als sie es sich gemütlich gemacht hatten, begann Dr. Fakkry: »Dank Ihrer Bemühungen konnte fast jeder, der mit der Ebola-Geschichte etwas zu tun hatte, festgenommen werden. Der Mann, den Sie in San Francisco niedergestochen haben, beschuldigte Dr. Heberling sofort nach seiner Operation.«
»Die Polizei meint, daß er es vorzog, ins Gefängnis zu kommen, damit er dort vor Ihnen sicher ist!« fügte Dubchek mit einem Anflug seines früheren ironischen Grinsens hinzu.
Marissa schauderte es, als sie sich an die grauenvolle Episode erinnerte, als sie im Badezimmer des Fairmont auf den Mann einstach. Für einen Augenblick ließ sie der Gedanke an seine eisblauen Augen frösteln. Dann nahm sie sich zusammen und fragte nach Heberling.
»Er wird wegen vielfachen Mordes vor ein Schwurgericht kommen«, sagte Dubchek. »Der Richter hat die Stellung einer Kaution, wie hoch sie auch sei, abgelehnt mit der Bemerkung, Heberling sei für die Öffentlichkeit so gefährlich wie ein Kriegsverbrecher.«
»Und der Mann, dem ich den Schuß mit der Injektionspistole verpaßte?« Marissa hatte sich davor gefürchtet, diese Frage zu stellen. Sie mochte nicht verantwortlich sein für den Tod eines Menschen, selbst wenn dieser Ebola verbreitet hatte.
»Er hat überlebt und wird vor Gericht gestellt. Er hat das Gegenserum rechtzeitig eingenommen, und es erwies sich als wirksam, aber er leidet noch unter einer schweren Serumerkrankung. Sobald er wieder auf den Beinen ist, wird er ebenfalls ins Gefängnis kommen.«
»Und was ist mit den anderen Vorstandsmitgliedern des PAC?« fragte Marissa weiter.
»Einige von ihnen haben sich bereit erklärt, als Kronzeugen zur Verfügung zu stehen. Das macht die Untersuchung erheblich leichter« sagte Dubchek. »Wir beginnen zu glauben, daß die normalen Mitglieder der ›Ärztevereinigung‹ davon überzeugt waren, lediglich eine gewöhnliche politische Kampagne für ihre Interessen zu unterstützen.«
»Und was ist mit Tieman? Er schien wirklich nicht der Typ zu sein, der sich auf eine solche Geschichte einläßt. Oder zumindest kann man sagen, daß ihm sein Gewissen tatsächlich zu schaffen machte dabei.«
»Sein Rechtsanwalt konnte eine Vereinbarung für eine geringfügigere Bestrafung in Anerkennung seiner Mitarbeit bei der Aufklärung der Affäre aushandeln. Was das PAC selbst betrifft, so ist diese Vereinigung bankrott. Die Familien der Opfer haben nahezu ausnahmslos Antrag auf Entschädigung gestellt. Außerdem werden sie von den einzelnen Ärzten
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