Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
Geburt immer wieder mit Harmonie und Liebe überhäuft werde und obwohl ich mit so viel Humor und Talent ins Licht getreten bin, erkenne ich den Ursprung dieser Geschenke noch nicht. Als Jugendlicher würde ich am liebsten wegen verschiedener Ungereimtheiten auf die Barrikaden gehen. Das tue ich verbal auch. Im Handeln verlässt mich der Mut. Ich lehne mich zurück und erkläre, das Ganze sei nicht meine Angelegenheit. In gewisser Weise ist mein Denken als Jugendlicher arrogant.
Doch Gott zeigt mir im Lauf der Jahre, dass auch die moderne Gemeinschaft der Christen Liebe und Hoffnung zu den Menschen bringen kann. Trotzdem habe ich damals das Gefühl, nicht dazuzugehören. Gott schickt mir einige satte Prüfungen. Er ist geduldig.
Als ich im Jahr 2007 den Film „Zwerg Nase“ drehe, erreicht mein Arbeitsvolumen seinen Höhepunkt. Dagegen ist meine Fähigkeit, den Anforderungen gerecht zu werden, an einem Tiefpunkt angekommen. Das war dramatisch, aber zunächst kam es ganz unauffällig und leichtfüßig daher. „Zwerg Nase“ war ein liebevoller Kostümfilm mit großartiger Besetzung und lief unter der Regie einer sehr begabten, leidenschaftlichen Regisseurin mit Namen Felicitas Darschin. Die Rolle des Herzogs Alois war entsprechend dem Rollenprofil cholerisch und bacchantisch anzulegen. Ich verdränge manchmal selbst die Bedeutung von interessanten Fremdwörtern. Daher zur Erklärung: Dies bedeutet, dass die Figur, die ich zu spielen hatte, rauschhaft ausgelassen und überschäumend vom Charakter her war. Das war genau das Richtige für mich.
Wir drehten in Bamberg, und die Schauspieler waren überwiegend in einem wunderschönen Hotel untergebracht, dessen Namen ich hier lieber nicht wiederhole. Die freie Zeit, die man als Schauspieler hat, verbringt man für gewöhnlich sehr gern in edlen Räumen wie Cafés und Restaurants. Man kann sich dort auf den nächsten Drehtag vorbereiten. Bei manchen klugen Schauspielern vergeht diese Zeit auch auf einer Liege im Wellness-Bereich. Nicht so bei mir. Ich gebe mir die Kante an der Bar. Mein Hotelzimmer ist Endstation. Dort nimmt mein Aufschlagen in der Wirklichkeit Gestalt an – die Begegnung mit meiner ganz persönlichen Klagemauer. Ich stolpere durch das Zimmer und mache als Erstes Bekanntschaft mit einem Türpfosten. Dann ärgere ich mich über meine Hose, da sie an meinen Knöcheln festklebt und offensichtlich Streit sucht. Kann sie haben! Zehn Minuten später liege ich flach und erlebe mein erstes und letztes Delirium. Das war keiner dieser wunderbaren Tage, an denen man alles richtig macht. Ich kritzle etwas an die Wand, irgendwann:
„Über meinen Fuß flitzt ein zuckendes Meer kleiner Wesen,
Mit aufgetürmten Haaren, wie die Antennen schlitzohriger
Sinne. Sie stolpern jetzt und nehmen Salto schlagenden
Anlauf in mein Bett. Sie sind die Räuber meiner Farbkleckse.
Sie wühlen unter der mittäglichen Ordnung
Meiner Decken und Kissen. Neue Welt entsteht, kein Zurück.
Das bunte Licht hält Einzug. Es ist gewappnet und steckt zaubernd
Die Zunge zum Daumentor heraus. Ein klares Bild. Das Prisma
Steht und Federn fliegen und Sänger rudern durch die Luft. Sie
Winken mit ihren bunten Tüchern und weben mir den Strick.
Meinen Kopf hinein, die Beine lose. Es reißt ein altvertrauter Schmerz
Mich in das Meer. Überzeugt plumpst ein Schrei aus dem Gerippe.
Ich vergehe und rudere davon.“
Ich beginne nach diesem Vorfall, an mir zu arbeiten. Das dauert. Aber weiß ich wirklich, was Demut bewirken kann? Und bin ich bereit dafür? „Wie wäre es mit Mäßigung?!“ Geunerle, unser Zwergspitz, hechelt mich wissend an. Ich nehme ihn beim Wort und setze uns beide auf Diät. Mäßigung! Unterwürfigkeit spüre ich nicht nach den Rückschlägen, die ich erfahren habe. Ich erkenne meine Möglichkeiten und meine Grenzen. Und die Bereitschaft, danach zu leben, wächst mit der Zeit. Diese Bereitschaft wird sogar größer als meine unterschwellige Angst: Werde ich eines Tages ein Diplom als Spaßbremse im Briefkasten meiner Freundschaften finden? Partymachen ist nicht mehr erlaubt. Dann entwickle ich eben neue Qualitäten! Ich werde zum Beispiel Aktionskünstler und perfektioniere meine Multitasking-Fähigkeiten. Oder ich werde als wandelnder Gesundbrunnen berühmt. Manchmal komme ich mir vor wie die Schwester von Tony Soprano, die ihre erste trockene Zeit mit dem Schreiben christlicher Popsongs verbrachte. Ist mir das peinlich! Na, dann werde ich eben ganz seriös
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