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Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Bragg 04 - Dunkles Verlangen

Titel: Bragg 04 - Dunkles Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kapitel 1
     
    Er war mal wieder schlecht gelaunt.
    Allerdings war der Earl von Dragmore für seine gute Laune ohnehin nicht bekannt.
    Nicholas Bragg, alias Lord Shelton, stand vor der Terrassentür, die er auf Wunsch seiner Frau hatte einbauen lassen, und blickte hinaus. In der Hand hielt er einen Brief. Draußen bot sich ihm ein spektakulärer Ausblick: endlose sorgfältig manikürte smaragdgrüne Rasenflächen, mit pinkfarbenen Rosen dicht bestückte Beete, die gelb leuchtende Kiesstraße, die das Anwesen in weiten Schwüngen durchzog, und dahinter endlose grüne Hügel, die von Eichen – in der letzten Pracht des Sommers – gesäumt wurden. Der Earl war ungehalten. Sein harter Mund war nur mehr ein dünner Strich. Seine kräftige braune Hand spannte sich an, bis die Sehnen hervortraten. Er zerknüllte das Schreiben, das er gerade gelesen hatte. »Verdammt!«
    Das Wort klang wie ein Peitschenhieb. Zugleich schleuderte er den Brief wütend zu Boden.
    Er wanderte unruhig in dem Raum umher.
    Der Earl trug die übliche enge Reithose, hohe schwarze Stiefel, ein achtlos in den Hosenbund geschobenes Baumwollhemd, das – viktorianische Anstandsregeln hin oder her oben aufgeknöpft war. Er schritt mit der Eleganz, mit der Spannkraft eines Panthers in dem Raum hin und her. Dann blieb er stehen und starrte auf den Brief, der direkt vor ihm am Boden lag. Fast hätte er dem kindischen Impuls nachgegeben, das Schreiben mit dem Stiefelabsatz zu zertreten. Aber auch das hätte den Brief nicht ungeschehen gemacht. Und das Mädchen hätte es ihm ebenso wenig vom Hals geschafft.
    Eine Vormundschaft. Ohne einen Anflug von Reue verfluchte er seine verstorbene Frau.
    Der Earl trat an die breite Fensterfront und fuhr sich mit der Hand durch sein unglaublich dichtes, unglaublich schwarzes Haar – so schwarz, dass es im Sonnenlicht blau schimmerte. Er war zu beschäftigt, um für ein hergelaufenes Mündel das Kindermädchen zu spielen, verdammt noch mal. Für solchen Firlefanz gab es in seinem sorgfältig geregelten Alltag keinen Platz. Die Ernte stand vor der Tür, und dann wollte er sich in den kommenden Tagen noch in Newmarket einige Zuchtbullen anschauen. Außerdem war sein Hengst No Regrets am folgenden Sonntag für ein Rennen gemeldet, und er dachte gar nicht daran, dieses Ereignis zu versäumen. Für die Zeit nach dem Rennen hatte er zwei unterhaltsame Wochen in London eingeplant, falls es auf seinen Gütern nicht wieder irgendeinen Ärger geben sollte. Verdammt.
    Wie alt war die Kleine überhaupt?
    Der Earl klaubte den Brief wütend vom Boden auf und zerriss ihn beinahe, als er ihn auseinander faltete. Sein Gesicht war fast ausdruckslos. Nur seine Wut war in seinen grauen Augen zu erkennen, die fast silbrig erschienen, so hell waren sie. Der Kontrast mit seiner bronzefarbenen Haut ließ sie sogar noch an Strahlkraft gewinnen. Siebzehn Jahre alt war das Mädchen. Siebzehn, um Gottes willen, und dazu noch ein schwieriger Fall, wenn man ihrer Tante Matilda glauben konnte. Genau deswegen wollte diese Matilda ihre Nichte ja bei ihm abladen.
    Der Earl schimpfte. »Soll sie doch bei Chad einziehen«, dachte er grimmig. »Vielleicht kann sie sich ja im Kindertrakt nützlich machen.« Er ließ sich die Idee nochmals durch den Kopf gehen – ein siebzehnjähriges Mädchen in denselben Räumen wie sein fünfjähriger Sohn. Ausgeschlossen.
    Seine Frau war gerade siebzehn gewesen, als er sie damals kennen gelernt hatte.
    Er wurde immer wütender und frustrierter. Keinen Gedanken wollte er mehr an diese hinterhältige Hexe verschwenden, die – nach christlichen Maßstäben – in diesem Augenblick in der Hölle schmoren musste. Er lachte kalt. Die Hölle – so ein Unsinn –, und an Gott glaubte er ebenso wenig.
    Sein Hengst war genauso dunkel, so stattlich und kraftvoll wie er. Natürlich kannten die Stallburschen ihren Herrn inzwischen. Keiner von ihnen verzog eine Miene, als Nick sich auf den breiten nackten Rücken des Hengstes schwang und im Galopp davonsprengte. Anfangs ließ er das Pferd auf der befestigten Kiesstraße galoppieren, die noch immer täglich geharkt wurde. Wieder so eine Idee seiner Frau, aber auch vier Jahre nach ihrem Tod wurde diese Anweisung weiterhin’ ausgeführt. Nick hatte den Befehl seiner Frau nie widerrufen – nicht der Mühe wert. Der herrschaftliche Zufahrtsweg führte in weiten Schwüngen vier Meilen über das Gebiet von Dragmore, bevor er die Landstraße nach Lessing erreichte, die von dort aus weiter

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