Maskenball
Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Er hatte keine Waffe, er war völlig wehrlos. Starr vor Schreck saß er in seinem Sessel. Angestrengt versuchte er nachzudenken. Jetzt nur nicht den Kopf verlieren. Aber nicht einmal das halb volle Wasserglas würde ihm als Waffe dienen können. Es stand zu weit weg von ihm. Und so schnell würde er sich nicht bewegen können. Den großen Aschenbecher hatte er in der Küche stehen lassen. Sein Atem ging jetzt ganz flach und in schnellen hechelnden Stößen. Er hatte das Gefühl, dass sich die Gefäße um sein Herz immer fester schlössen.
Da! Wieder, das Klopfen: Einmal lang, dreimal kurz, einmal lang. Er wollte sich aufbäumen, aber der unbarmherzige Rhythmus trieb das Klopfen wie grobe Pflöcke in seinen Körper und machte ihn bewegungslos. Feldges wollte handeln, musste etwas tun. Er wollte sich nicht kampflos ausliefern. Das hatte er in seinem bisherigen Leben noch nie getan. Es hatte immer einen Ausweg gegeben. Einfach stillhalten und warten? Das hatte er schon damals nicht gekonnt, als er noch in den letzten Kriegsmonaten von den Nazis, wie viele seiner Generation, in eine Uniform gesteckt worden war, um als allerletztes Aufgebot nicht weit von zu Hause in Breyell in einem dreckigen Schützenloch an der Bahnstrecke Richtung Venlo auf den längst sinnlos gewordenen Tod zu warten. Und auch später nicht, als er in den Aufbaujahren den Hof seiner Familie wieder hochbringen musste. Er hatte gegen seine Konkurrenten immer mit harten Bandagen gekämpft und war stets den schwereren Weg gegangen. Er hatte sich nie etwas schenken lassen wollen.
Er saß immer noch wie gelähmt in seinem Sessel und wartete. Zunächst hatte sein Gehirn es nicht glauben wollen, aber das gespenstische Klopfen hatte offenbar aufgehört. Minutenlang rührte sich Wilhelm Feldges nicht. Aber es blieb ruhig. War alles doch nur Einbildung? Hatte er das Klopfen doch nur geträumt? Er atmete tief durch und versuchte seinen Puls unter Kontrolle zu bekommen. Langsam entspannte er sich, seine verkrampften Finger lösten sich aus dem Stoff seines Sessels. Vielleicht war alles nur eine Reaktion seines Körpers gewesen, eine Schwäche des Gehirns, weil er seine Tabletten nicht pünktlich genommen hatte. Er war einfach nur ein alter Mann, der von seinen Halluzinationen genarrt wurde.
Er stemmte sich schließlich mit steifen Gliedern aus seinem Sessel und hob die Fernbedienung auf. Wilhelm Feldges wollte nur noch ins Bett und nicht mehr denken müssen. Vielleicht konnte er noch ein paar Stunden schlafen. Er schaltete den Fernseher ab und drehte sich um. Dann erstarrte er in der Bewegung und blieb an seinem Sessel stehen. Seine Augen wollten ihm den Dienst versagen, sein Herz raste und seine Finger suchten wieder Halt. Sein Puls klopfte hart gegen seine Schläfen. Durch das Fenster konnte er sehen, wie das Licht des fast vollen Mondes den Hof in helles Licht tauchte. Davor zeichneten sich scharf die Umrisse einer schwarz gekleideten Gestalt ab, die wieder an die Scheibe klopfte: Einmal lang, dreimal kurz, einmal lang. Ein Gesicht konnte Feldges nicht erkennen. Es war mit einem schwarzen Etwas, das wie eine Haube aussah, völlig vermummt. Nicht einmal die Augen waren zu sehen. Eine völlig schwarze, lichtlose Gestalt, die gegen seine Fensterscheibe klopfte. Einmal lang, dreimal kurz, einmal lang. Feldges bekam Angst. Todesangst.
Er konnte sich nicht rühren und starrte stattdessen immerzu auf die Gestalt vor seinem Fenster. War sie nicht doch nur bloße Einbildung, eine unbegreifliche Ausgeburt seiner Fantasie? Nein, das entsetzliche Klopfen war echt. Zwischen den Intervallen ließ das Etwas eine kleine Pause, mal etwas länger, mal etwas kürzer. Feldges wollte etwas sagen, sich wehren, dem Spuk ein Ende machen. Aber er konnte nur stumm den nutzlosen Mund öffnen. Sein Atem stockte, keinen Laut brachte er heraus.
Auf diesen Augenblick hatte das maskierte Wesen gewartet. Wie aus dem Nichts tauchte ein glänzendes Etwas in seinen schwarz verhüllten Händen auf. Das kleine Kästchen wanderte an der Figur hoch. Fast gleichzeitig blendete ein Blitz auf, der Feldges für einen Moment blind machte. Als sich seine Augen von dem Schock des gleißenden Lichtes erholt hatten, war die Stelle leer, wo gerade noch der leibhaftige Teufel gestanden hatte. Er zitterte.
III.
Nahezu im Gleichschritt zog der festlich gekleidete Elferrat der Wölese huldvoll winkend und unter dem rhythmischen Klatschen und begeisterten Pfeifen
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