Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
entwickelte sich für ihn etwas Gutes. Was auch geschah, Dewey verlor nie seine Zuversicht und seine Lebensfreude. Von dem Moment seiner Rettung an vertraute Dewey fest darauf, dass alles gut werden würde. Und er brachte andere dazu, das ebenfalls zu glauben.
Nach zehn Tagen hatte er sich so weit erholt, dass er die Bücherei selbstständig erkunden konnte. Es stellte sich gleich heraus, dass ihm Bücher und Regale egal waren, er sich aber für Menschen interessierte. Wenn irgendwo ein Besucher saß, ging Dewey, trotz immer noch schmerzender Pfoten, schnurstracks zu ihm hin und sprang ihm auf den Schoß. Häufig wurde er mehrfach hinunterbefördert, aber Ablehnung schreckte ihn nicht. Dewey fand immer neue Schöße, auf denen er ein Nickerchen machen konnte, und Hände, die ihn streichelten.
Und allmählich begann sich etwas zu ändern. Mir fiel es zuerst bei den älteren Besuchern auf, die gelegentlich in der Bücherei Zeitschriften lasen oder in Büchern blätterten. Nachdem Dewey angefangen hatte, ihnen Gesellschaft zu leisten, kamen sie häufiger und blieben länger. Diejenigen, die uns Bibliothekarinnen immer freundlich zugewinkt oder uns gegrüßt hatten, unterhielten sich jetzt mit uns. Dabei ging es meist um Dewey. Sie wurden nie müde, sich Dewey-Geschichten anzuhören. Sie kamen nicht mehr, um Zeit totzuschlagen: Sie kamen, um Freunde zu besuchen.
Ein älterer Herr suchte jeden Vormittag um die gleiche Zeit die Bücherei auf, um immer im selben Sessel die Zeitung zu lesen. Seine Frau war vor Kurzem verstorben und er war einsam. Ich hatte ihn nicht für einen Katzenfan gehalten, aber als Dewey auf seinen Schoß sprang, strahlte er. Jetzt musste er seine Zeitung nicht mehr alleine lesen.
»Gefällt es dir hier, Dewey?«, fragte der Mann jeden Morgen, wenn er seinen neuen Freund streichelte. Dewey schloss dann die Augen und schlief meist kurz darauf ein.
Es gab auch einen Mann, der Arbeit suchte. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber ich war schon vielen wie ihm begegnet: Ein stolzer Mann, der sein Leben lang hart gearbeitet hatte, vermutlich eine Familie zu versorgen hatte und darunter litt, keinen Job mehr zu haben. Er war aus Spencer, aber kein Farmer, sondern ein Arbeiter. Jeden Morgen ging Dewey zu ihm hin und jeden Morgen schob der Mann ihn von sich weg. Dann sah ich eines Tages Dewey auf seinem Schoß sitzen, und zum ersten Mal seit vielen Wochen lächelte der Mann. In seinem Blick lag immer noch Traurigkeit, aber er lächelte.
Dewey hatte vielleicht nicht viel zu geben, aber in jenem Winter des Jahres 1988 gab er genau das, was die Menschen von Spencer brauchten. Deshalb schenkte ich der Stadt unser Kätzchen. Er war nicht unser kleiner Kater, sondern er gehörte allen Besuchern der Stadtbücherei von Spencer. Meine Kolleginnen hatten Verständnis dafür.
Nach einiger Zeit sprach ich unsere Besucher an: »Sie kennen doch das Katerchen, das auf Ihrem Schoß sitzt? Das, das mit Ihnen zusammen die Zeitung liest? Das Ihnen den Lippenstift aus der Handtasche stibitzt und Ihren Bleistift über die Tischkante rollen lässt? Er ist Ihr Kater und ich möchte, dass Sie mithelfen, einen Namen für ihn zu finden.«
Ich war erst seit einem halben Jahr Leiterin dieser Bücherei und begeisterte mich immer noch für Wettbewerbe. Alle paar Wochen stellten wir im Vorraum eine Schachtel auf, ließen den Wettbewerb vom lokalen Radiosender ankündigen und lobten einen Preis aus. Wenn Wettbewerb und Preis interessant waren, beteiligten sich vielleicht 50 Leute. Ging es um einen wertvollen Preis, wie zum Beispiel um ein Fernsehgerät, machten vielleicht sogar 70 mit. Aber gewöhnlich lag die Teilnehmerzahl ungefähr bei 25.
Die Umfrage »Wie soll der Büchereikater heißen?« ließ ich nicht im Radio ankündigen, denn ich wollte, dass nur Stammleser mitmachten. Einen Preis gab es auch nicht zu gewinnen, und trotzdem erhielten wir 397 Vorschläge. Dreihundertsiebenundneunzig! Die Bürger der Stadt interessierten sich offenbar für unser Katerchen.
Der von Lasagne begeisterte Kater Garfield war damals auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit, und deswegen schlugen viele vor, unseren Kater »Garfield« zu nennen. Neun sprachen sich für »Tiger« aus und »Tigger«, der Name von Winnie Poohs gestreiftem Freund, hatte fast ebenso viele Befürworter. Etlichen schien der Name »Morris« gut zu gefallen. Weitere Vorschläge waren ALF (nach dem witzigen Außerirdischen, der damals seine eigene Fernsehserie hatte) und Spuds
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