Meine Philosophie lebendiger Gaerten
Fülle der Erntefarben. Bronze und Purpur gesellen sich hinzu, alles wird ruhig und melancholisch. Im Winter schließlich haben wir Grün, Braun, Kupfer mit sehr viel Struktur, Gräser etwa und Hecken, die den Frost aushalten.
Nicht irgendwelche angesagten Farbentrends sind entscheidend, sondern die Farben mit ihren besonderen Stimmungen, die die Menschen meist ähnlich interpretieren, denen allgemeine Bedeutungen zugesprochen werden, Konventionen ähnlich. In unserem Unterbewusstsein haben wir alle eine ähnliche Farbenlehre, so wie wir ähnliche (nicht identische!) Vorlieben für Düfte und Geschmacksnoten besitzen.
Zum Beispiel Weiß. Ein weißer Garten sieht in Hamburg, wo es oft oder viel regnet, immer leicht tot aus, ziemlich schmuddelig. Ganz anders im Schatten beim häufig guten Wetter einer anderen Region. In unserem Chelsea-Showgarten war im hinteren Bereich sehr viel Schatten, deshalb haben wir dort fast nur mit Weiß gearbeitet, weil Weiß Licht reflektiert. Für das schattige Grundstück also gilt, weiße Anemonen und andere
weiße Pflanzen im Hintergrund zu platzieren, um dort Licht hineinzutragen.
Blau und Rot absorbieren hingegen das Licht, das heißt, Rot und Blau müssen immer im Vordergrund stehen. Solches Farbwissen ist wichtig für bunte Beete: Sie sollten an der Terrasse in der Nähe des Hauses sein. Wer sein rot-blaues Beet hinten im Garten anlegt, verschenkt die ganze Pracht. Man hätte dann von der Terrasse aus gesehen nicht viel davon, es sei denn, man geht durch den Garten nach hinten zum Beet. Frauen mögen Gelb nicht so sehr. Ein Hauch von Gelb jedoch lässt Weiß noch weißer erscheinen. Das ist ein Trick, der aus nässeren Regionen kommt, gerade auch aus England. Dort mag man die weißen Gärten sehr, trotz des häufigen Regens. Deshalb pflanzen die Engländer immer ein paar Sträucher und Gräser mit einem Hauch von Gelb dazwischen, Limettengelb, Grüngelb, sodass das Weiße weißer wirkt, selbst wenn es schon verregnet ist. Ich habe schon so manchen deutschen Gartenbesitzer angetroffen, der die weißen Gärten in England gesehen hat und ganz verzweifelt fragte, warum die dort so unglaublich weiß seien und warum wir das nicht hinkriegen. Etwas Gelb dazwischen - das ist das ganze Geheimnis.
Bei Karl Foerster war Blau eine dominante Farbe. Blau sei keine bloße Farbe, hat er geschrieben, Blau sei eine Welt, die kein Mensch überschauen könne, noch nach einem neunzigjährigen Leben sähe er sich »vor blauer Unsterblichkeit der Aufgaben«. Für ihn ist die blaue Blumenfarbe »die größte Verzauberin des Gartens und die größte Versöhnerin anderen Blumenfarbenstreits« 17 . Blau ist tatsächlich etwas Wunderbares,
vor allen Dingen das helle Blau, weil auch dieses trägt, im Gegensatz zum dunklen Blau, das nicht trägt, also keinen Hintergrund abgibt und deshalb dicht ans Haus gepflanzt werden sollte. Dem dunklen Blau fällt es zu schwer, von weit her zu wirken.
Mir selbst geht es mehr um die Kombination von Farben. Ich mag Rot sehr, aber Rot im Garten ist eine ganz schwierige Farbe, wenn sie allein steht. Derzeit finde ich Orange bezaubernd, zum Beispiel in der Kombination von Orange und Blau - das wirkt zusammen wie frische Zitrone. Diese Vorliebe kann aber im kommenden Jahr schon wieder anders ausfallen.
Mit Farben lässt sich spielen. Ich liebe das Farbenspiel, das Isabelle so perfekt beherrscht. Nach dem Studium in Kew Gardens, als wir unsere ersten Pflanzpläne konzipiert hatten, waren wir zunächst etwas snobistisch eingestellt: Wir bevorzugten etwa lila Pastelltöne. Dann besuchten wir den bekannten großen englischen Staudengarten Hidcote, wo eine mächtige Rabatte gepflanzt war, in der alles in Rot gehalten war, ein einziges rotes Blütengeschrei. Es war uns eigentlich zu laut. Einige Wochen später waren wir noch einmal dort und es herrschte ein mieses, fieses, graues Wetter, ungemütlich mit Nieselregen: Da ist uns diese rote Rabatte ins Auge gesprungen, so leuchtend und warm und lebendig - einfach herrlich. Und da haben wir sie zum Teufel geschickt, diese Vorurteile gegenüber Farben.
Der Spaß am Farbenspiel lässt sich ausleben, wenn wir im Beet mit kontrastierenden oder harmonierenden Farben arbeiten.
In den vergangenen Jahren haben wir sehr kräftige Farben verwendet, zum Beispiel kräftiges Rot mit Lila, da darf es auch ruhig mal einen lauten Farbenknall geben. Auch bei den Farben gilt: Man kann und soll seinem Herzen folgen. Wer das Gefühl hat, dass
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