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Memo von Meena (German Edition)

Memo von Meena (German Edition)

Titel: Memo von Meena (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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Weihnachten steht vor der Tür. Die Zeit, in der sich die Herzen erwärmen und man darüber nachdenkt, was man seinen Liebsten schenkt oder an Heiligabend essen wird. Die Zeit, in der man vieles Revue passieren lässt, Antworten findet und innere Ausgeglichenheit. Eine ganz besondere Zeit und Anlass genug, meine Kolumne dieses Mal etwas umfangreicher als sonst zu gestalten. Eine Idee, die ich mit sehr viel Feingefühl bei meiner Vorgesetzten durchsetzen musste. Als sie den ersten Entwurf las, war sie jedoch einverstanden und erkannte die Notwendigkeit, die ich darin sah, Ihnen endlich die Wahrheit zu sagen.
    Die Wahrheit? Welche Wahrheit, werden Sie sich jetzt sicher fragen. Die Kurzversion meiner Antwort auf diese Frage lautet: Dieses ist die erste Kolumne von mir, die Sie seit vielen Monaten lesen. Ja, Sie haben richtig gehört, die letzten Kolumnen trugen vielleicht meinen Namen, aber sie stammten von jemand anderem.
    Die ausführliche Version meiner Antwort?
    Die möchte ich Ihnen heute geben. Ganz einfach, weil ich glaube, dass ich sie Ihnen schuldig bin. Auch und gerade, weil man an Weihnachten die Wahrheit sagt. Oder?
     
    Es war im Frühjahr dieses Jahres, als mich die Diagnose ‚verkürzter Gebärmutterhals‘ ans Bett fesselte. Ein verkürzter Gebärmutterhals? Ja, Sie vermuten richtig: Ich war schwanger. Ungeplant. Unverheiratet. Unverlobt.
    Genau genommen war ich mutterseelenallein. Sie müssen mich nicht bedauern, das tue ich selbst schließlich auch nicht, zumal schon das Wörtchen ‚mutterseelenallein‘ so nicht stimmt, denn immerhin war es gerade meine Mutter, die sich in dieser Zeit stets liebevoll und geduldig um mich kümmerte.
    Aber sonst? Ja, sonst hielt sich meine Begeisterung für diesen Zustand eher in Grenzen. Der Gedanke an eine Pause meiner Kolumne war schlagartig näher gerückt, was mich dazu zwang, dem Vorhaben meiner Vorgesetzten zuzustimmen: Es musste eine Vertretung her. Jemand, dem es gelingt, während meiner Abwesenheit in meine Fußstapfen zu treten, um die Welt glauben zu lassen, dass die Vorkämpferin aller verzweifelter Single-Frauen dieses Planeten nach wie vor aktiv ist.
    Dass diese Vertretung männlich sein würde, ahnte ich damals natürlich noch nicht. Und ich will ehrlich sein, meine Begeisterung für diesen Umstand hielt sich in Grenzen. Trotzdem ließ sich nicht daran rütteln: Oliver Staude erfüllte seine Aufgabe so gut (und weiblich), wie er nur konnte.
    „ Der Mann auf dem Thron“, „Die Kunst, sich das Leben zu zerdenken“, „Die Sache mit dem Nein“ – all diese Worte und viele mehr stammten aus seiner Feder, von der Sie die ganze Zeit über vermuten sollten, dass es meine war.
    Bevor Sie jetzt erschrecken, meine Damen, weil Sie sozusagen an der Nase herumgeführt wurden, lassen Sie mich Ihnen eines sagen: Die Grundlage für Olivers Arbeit waren unzählige Audioaufnahmen, sozusagen Memos von mir, die es ihm ermöglichten, voll und ganz in meine Haut zu schlüpfen und mit der Zeit nicht nur wie Frauen im Allgemeinen zu denken, sondern auch wie ich.
    Ja, Oliver wurde – gewissermaßen – zu mir. Und vielleicht kann man deshalb auch ein klein wenig behaupten, dass Sie nicht an der Nase herumgeführt wurden.
    Das klingt absurd, oder?
    Vermutlich ist es das auch. Trotzdem stimmt es irgendwie.
    Während ich ans Bett gefesselt war und mich in absoluter Ruhe trainierte, lernte ich Oliver persönlich kennen. Wobei sich das Persönliche anfangs nur auf den Kontakt per E-Mail beschränkte. Ich war neugierig auf den Mann hinter den Worten, die die Welt glauben lassen sollten, dass es meine waren. Ich wollte wissen, wer dahintersteckte und ließ mich schließlich auf einen unschuldigen Kontakt ein. Ein Kontakt, der mehr und mehr zur Erleuchtung meines grauen Alltags wurde. Denn so sehr ich mich auch auf die Geburt meines Sohnes freute, die Einsamkeit ließ sich dadurch nicht ausblenden. Oliver jedoch schaffte es, mich zumindest für kurze Zeit auf andere Gedanken zu bringen.
    Und dann?
    Dann kam mir Maris dazwischen. Mein Sohn, der sich entschieden hatte, ein paar Wochen zu früh auf die Welt zu kommen und meinen durchaus lebhaften E-Mail-Kontakt zu Oliver schlagartig zu unterbrechen.
    Es war der 2. Juni, ich weiß es noch wie heute. Einige meiner Kolleginnen waren mit einem überdimensionalen Obstkorb ins Krankenhaus gekommen, um mich und Maris zu besuchen. Eine nette Überraschung, aber nicht zu vergleichen mit der Überraschung, die es war, Oliver unter ihnen zu

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