Memo von Meena (German Edition)
gedacht hättest, dass sie einmal jemand anderem, geschweige denn einem männlichen Ghostwriter, in die Hände fallen würden, so vergesse ich beim Hören immer wieder, dass du dich nicht mir offenbarst, sondern lediglich dir selbst. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum ich mir das Recht herausgenommen habe, dir meine ehrliche Meinung zu deinem Stil mitzuteilen.
Die Frage, ob es mir zustand, diese Meinung zu äußern, erübrigt sich inzwischen, da ich meine Worte weder zurücknehmen kann noch von dir erwarten möchte, dass du sie vergisst. Und ganz ehrlich, ich wüsste auch nicht, warum ich sie zurücknehmen sollte, denn nach wie vor stehe ich zu dieser Ansicht: Du bist eine ganz besondere Frau, Meena. Eine Frau, die mit den Gedanken zum Leben Ebenen erreicht, die andere nicht mal ankratzen. Du wirkst auf den ersten Blick (oder besser gesagt: beim ersten Hören) beinahe normal. Lebendig, ja. Aber nicht sehr viel anders als andere Frauen, denen man im Leben so begegnet. Erst wenn man sich eine Weile mit dir beschäftigt, deiner Stimme das Ruder übergibt und sich ganz und gar auf die Dinge einlässt, die dein Bewusstsein bestimmen, wird deutlich, dass da sehr viel mehr unter der Oberfläche glänzt.
Versteh mich bitte nicht falsch, es hat mir Freude gemacht, deine bisherigen Kolumnen zu lesen und ich bin beeindruckt von dem Erfolg, den du dir im Laufe der letzten Jahre bei Ariella’s Choice aufgebaut hast. Trotzdem finde ich, dass es so viel mehr Dinge gibt, zu denen die Menschen sicher gerne deine Meinung erfahren würden. Mit dem Kommentar „leichtfüßiges Frauenmagazin“ tust du dir und deinen Geschlechtsgenossinnen übrigens keinen Gefallen. Heißt das, dass Frauen sich nicht für Themen abseits von Mode, Make-Up und Diäten interessieren?
Wie auch immer, alles, was ich damit sagen wollte, war, dass ich so viel mehr in dir sehe – und das, obwohl ich dich im Grunde gar nicht kenne. Nur dass das „im Grunde“ im Moment irgendwie relativ ist, wenn du verstehst, was ich meine.
Ich hoffe übrigens, dass die Tatsache, dass du deine Mutter überreden konntest, dir deinen Laptop ans Bett zu holen, nicht bedeutet, dass ich ab sofort wieder arbeitslos bin.
Oliver
16. Mai 2012, 20:41 Uhr
Von: Meena Teske
An: Oliver Staude
Nein, Oliver, der Laptop auf meinem Schoß bedeutet nicht, dass ich mir meinen Job wieder unter den Nagel reißen möchte. Der Untermieter in meinem Bauch kündigt sein baldiges Erscheinen mehrmals täglich an und schon jetzt weiß ich, dass ich spätestens nach seiner Geburt keine Zeit mehr für irgendetwas anderes haben werde. Ich werde dann eine so genannte Alleinerziehende sein, genauso wie ich jetzt eine Alleinerwartende bin und bald eine Alleinaustragende sein werde. So viel zum Thema allein. Im Übrigen finde ich es äußerst angenehm, jemand anderem dabei zuzuschauen, wie er meine Arbeit macht.
Was deine erneuten Versuche, aus einer Beleidigung ein Kompliment zu machen (und umgekehrt), angeht: Nein, es bedeutet nicht, dass sich Frauen nur für Mode, Make-Up und Diäten interessieren, beim Ariella’s Choice spielen diese Dinge allerdings die Hauptrolle und auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich passe mich lediglich dem Spielfeld an, auf dem ich stehe. Das Spielfeld übrigens, das ich dir sehr gerne auch weiterhin überlasse.
Auch wenn ich deine Worte sehr zu schätzen weiß, denke ich, dass es besser ist, wenn wir das Thema „verfehltes Einsatzgebiet“ auf sich beruhen lassen. Ich liebe meinen Job – und alle anderen verborgenen Fähigkeiten werden schon noch zum Einsatz kommen. Wenn nicht jetzt, dann eben später. Alles zu seiner Zeit.
Meena
17. Mai 2012, 13:51 Uhr
Von: Oliver Staude
An: Meena Teske
Liebe Meena,
ich hoffe, dass sich die Empfehlung, das Thema auf sich beruhen zu lassen, nur auf meine Meinung zu deinem Stil bezieht und nicht auf unseren Kontakt im Allgemeinen, denn ich muss zugeben, dass der Gedanke, auch weiterhin mit meinem zweiten Ich zu kommunizieren, sehr verlockend ist. Ich finde es nämlich durchaus hilfreich, die Person, die ich zu sein versuche, auf diese Weise noch besser kennenzulernen.
Oliver
17. Mai 2012, 20:01 Uhr
Von: Meena Teske
An: Oliver Staude
Wenn man schon der Verlockung nachgibt, von einem zweiten Ich zu sprechen, wärst wohl eher du mein zweites Ich und nicht umgekehrt – meinst du nicht auch?
Meena
17. Mai 2012, 20:45 Uhr
Von: Oliver
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