sehen. Wir verhielten uns vor den anderen, als würden wir einander nicht kennen, und genau genommen stimmte das ja auch. Trotzdem war es eine geradezu einschneidende Erkenntnis, dass er genauso aussah, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, auch wenn ich zugeben muss, dass ich mir einer Vorstellung von ihm bis zu dem Zeitpunkt gar nicht bewusst gewesen war.
Haben Sie das je erlebt? Dieses Gefühl, jemanden zu kennen, obwohl er Ihnen eigentlich vollkommen fremd ist? Mir war es neu, dieses Gefühl und doch war es geradezu elektrisierend. In diesem Moment wusste ich einfach alles, was ich wissen musste. Egal, wie viele Tage und Wochen noch vergehen sollten, in denen ich mich in professioneller Distanz übte, in diesem Moment wusste ich es. Dass es kein Zurück geben würde und dass ich mir auch nicht die Mühe machen würde, danach zu suchen.
Ich weiß, es klingt verrückt. Und glauben Sie mir, das ist es auch. Niemand weiß das so gut wie ich. Aber es ist die Wahrheit, und genau die hatte ich Ihnen ja versprochen.
"Ich war also elektrisierend, so so." Er klappte den Laptop mit wissendem Grinsen zu und legte ihn neben sich aufs Sofa.
"Nicht du, nur das Gefühl." Fragend schaute sie ihn an. "Bist du etwa schon fertig mit Lesen?"
"Nein", antwortete er, während er den Arm um sie legte. "Ich glaube, ich lese sie erst, wenn die Ausgabe erschienen ist."
Meena legte den Kopf an seine Schulter. "Aber das dauert noch ganze drei Tage."
"Umso schöner ist die Vorfreude." Er strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr.
"Wer sagt dir, dass es Grund zur Vorfreude gibt?" Sie lächelte auffordernd. "Vielleicht habe ich in meiner Kolumne ja auch hemmungslos über den selbstverliebten Möchtegern-Frauenversteher hergezogen?"
"Hast du nicht", widersprach er, "Dafür lässt du dich zu gern von mir missverstehen."
"Tue ich das?"
"Ständig." Er küsste ihre Schläfe. "Vermutlich ist genau das der Grund, warum ich dir hoffnungslos verfallen bin."
Sie schaute auf das Babyfon, das nur wenige Zentimeter neben ihr auf dem Wohnzimmertisch stand.
"Wenn mich schon jemand missversteht", sagte sie schließlich, während sie die Decke über die Beine zog, "dann bitte auch nur der Richtige."
Sie hörte ihn leise lachen. Das Lachen, das ihr in den letzten Monaten so vertraut geworden war. Und wie immer, wenn sie in seiner Nähe war, blieb ihr nichts anderes übrig, als ebenfalls zu lächeln.
Weil es richtig war. Zum ersten Mal seit langem.
ENDE
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Tag der Veröffentlichung: 11.12.2012
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