Menschenskinder
künstlerischen Aspekt zugeordnet werden, und damit hatte ich noch nie was am Hut gehabt. Bei meiner ersten bedruckten Schleife lief die Schrift in einem Winkel von ca. 20 Grad schräg nach oben. Bei der zweiten konnte man vom Namen nur noch JULI lesen, US war nicht mehr drauf. Bei der dritten hatte ich zu weit vorn angefangen, da stand bloß ERGESSEN, das UNV war auf der Strecke geblieben, bei der vierten hatte ich die falsche Schleife genommen, nämlich eine mit Goldrand, obwohl es eine ohne sein sollte, die ist nämlich billiger, bei der fünften hatte ich aus einer Emmy eine Immy gemacht, und als ich mit der sechsten anfangen wollte, kam Hannes und löste mich ab. »Ich glaube, es ist besser, wenn du erst mal Fransen klebst.«
Fransen werden so ähnlich wie Gummiband als Meterware geliefert, die jeweils erforderliche Menge wird abgeschnitten und auf das Ende der Schleife geklebt. Klingt ganz einfach. Ist es auch, jedenfalls bei den ersten zwei oder drei Stück. Beim vierten bleiben die Fransen bereits am Finger kleben, die Schleife hat auch was abgekriegt und hängt jetzt an der Schere, und hat man die Fransen endlich an die richtige Stelle praktiziert und festgedrückt, dann stellt man fest, dass es die verkehrte Seite ist. Die Schrift steht nämlich auf der anderen. Muss ich wirklich noch erwähnen, dass ich keine Schleifen mehr drucken muss? Nur noch gelegentlich Fransen kleben, aber mit Hilfe von zwei Pinzetten gelingt mir das jetzt ganz gut.
Schwierigkeiten gibt es auch bei etwa folgender Anweisung: »Im dritten Regal ganz oben stehen noch fünf Kartons Dill, kannst du den runterholen, auspacken und zu den Achileen stellen?«
»Wie heißt Dill auf Lateinisch?« Sonst finde ich das Zeug ja nie!
»Keine Ahnung«, sagt Steffi, »aber ein Stängel steckt daneben. Du wirst doch hoffentlich wissen, wie Dill aussieht!«
Natürlich weiß ich das, Omi hat ihn früher in rauen Mengen gebraucht, wenn sie ihre berühmten Delikatess-Gurken eingelegt hat, in Salat gehört er rein, und natürlich zu Aal in Dillsoße. Nur in einer Vase habe ich ihn noch nie gesehen!
Ich finde eine Leiter, trage sie zum dritten Regal, stelle sie ab, suche den Dillstängel, sehe keinen. Da oben befindet sich überhaupt nichts Grünes, da glitzert es nur überall. Also Rückfrage bei Steffi. Die ist irgendwo im Lager, sagt Lissy. »Ich soll Dill auffüllen, finde ihn aber nicht. Weißt du Bescheid?«
»Der müsste im dritten Regal ganz oben stehen.«
»Da ist keiner!«
»Das kann gar nicht möglich sein«, sagt Lissy und läuft los. Ich hinterher. »Dort oben ist er doch!« Sie zeigt auf einen Stiel mit etwas golden Schimmerndem am vorderen Ende.
»Dill ist grün!«, wage ich einen zaghaften Protest.
»Aber nicht zu Weihnachten!«, lacht sie und kehrt zurück zu ihren Adventgestecken.
Sogar Hannes räumt später ein, dass goldener Dill anders aussieht als der, den man zum Gurkensalat braucht.
Die Achileen finde ich sogar allein. Sie sehen so ähnlich aus wie Dill in Silber und sind im wirklichen Leben auf jeder naturbelassenen Wiese zu finden. Dort sind sie allerdings weiß und heißen Schafgarbe.
Apropos Schafe: Noch gestern Abend, während wir müde in den Sesseln hingen, eine alberne Verwechslungsgeschichte im TV anschauten und Nüsse knabberten (wozu hat man eigentlich Erdnüsse gebraucht, bevor es Fernsehen gab?), hatte Hannes laut darüber nachgedacht, womit man die leere Verkaufsfläche im hinteren Teil der Halle füllen könnte. Noch vor zwei Wochen war sie vollgestellt gewesen mit Keramiken, jetzt war kaum noch etwas davon da.
»Stell die Plüschhasen hin und setz ihnen rote Mützen auf, die verkaufen sich sowieso nicht besonders«, hatte Steffi vorgeschlagen, »dann ernennen wir sie zu Weihnachtshäschen. Wäre doch mal was anderes, es müssen ja nicht immer Pinguine und Bären sein.«
»Warum nehmt ihr nicht die Schafe?«, hatte ich angeregt.
»Welche Schafe?«
»Na, die Osterlämmer oder als was immer sie deklariert sind. Du hast doch selber gemeckert, weil die Frühjahrsartikel teilweise schon jetzt geliefert worden sind. Ich habe die Viecher unten im Lager gesehen und finde sie richtig niedlich.«
»Was haben denn Schafe mit Weihnachten zu tun?«, hatte Hannes gemurrt.
»… und auf dem Felde waren Hirten, die hüteten des Nachts ihre Herden – oder so ähnlich«, hatte ich rezitiert, »du hast wohl noch nie in die Bibel geguckt?«
»Meine Konfirmation liegt schon eine Weile zurück. Aber wer sagt denn, dass
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