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Merlin und die Fluegel der Freiheit

Merlin und die Fluegel der Freiheit

Titel: Merlin und die Fluegel der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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streute sie es in den Topf. Rhia nickte dankbar und rührte weiter den
     Inhalt, der jetzt heftig brodelte.
    Leckere Düfte stiegen auf, besonders seit der Rauch sich im Wesentlichen verzogen hatte. Glühende Tannenzweige, in denen der
     Saft brutzelte, knackten und zischten unter dem Topf.
    Ich setzte mich zwischen die Mädchen und griff nach Rhias Flasche. Sie war aus einer Ziegenblase gemacht und mit einem Netz
     aus Ranken bestickt, die so frisch wirkten wie die Pflanzen in Rhias Gewand. In zwei Walnusshälften, die als Miniaturtassen
     dienten, goss ich ein wenig tiefrote Flüssigkeit.
    »Wer möchte Himbeersirup?« Ich reichte Rhia und Hallia die winzigen Tassen.
    »Herrlich.« Seufzend lehnte sich Hallia an den Felssims. »Es ist wahrhaftig ein Geschenk, wenn man jetzt, über einen Monat
     nach dem ersten Frost, den Frühling schmecken kann.«
    »
Mhm
.« Rhia stimmte mit einem Schmatzen zu. »Ich bin froh, Merlin, dass du daran gedacht hast. Ich war so mit dem Essen beschäftigt,
     dass ich die Flasche ganz vergessen habe.«
    Ich knuffte sie. »Wo du bist, gibt es immer auch etwas Süßes zu trinken. Das habe ich inzwischen gelernt.«
    »Aber nienicht gelernt zu zählen«, nörgelte der pelzige Bursche auf ihrem Schenkel. Seine hellen grünen Augen beobachteten
     mich gespannt.
    Widerwillig goss ich ihm eine Nussschale voll. Als ich sie ihm hinhielt, schnappte er sie mit den kleinen Pfoten undhielt sie sich ans Gesicht. Mit zitternden Barthaaren schluckte er hastig ohne Atem zu holen. Als er schließlich das Tässchen
     absetzte, waren seine drei Zähne dunkelrot.
    Ich wusste, dass ich nicht mit einem Dank zu rechnen brauchte. Nachdem ich auch mir ein Tässchen voll gegossen hatte, verschloss
     ich die Flasche und stellte sie weg. Beim ersten Schluck füllte der köstliche Geschmack meinen Mund mit der Süße des Frühlings
     – und mein Herz mit Dankbarkeit für die Felder und Wälder und Küsten Fincayras, wo jedes Aroma kräftiger war, jeder Duft stärker
     und jede Farbe tiefer.
    »Ich wünsche mir«, sagte ich sehnsüchtig, »dass wir immer hier bleiben können, in dieser Zeit und an diesem Ort.«
    Hallias Blick wärmte mich wie das Feuer.
    »Solange uns der Himbeersirup nicht ausgeht«, entgegnete Rhia. Sie griff nach den dicken wachshaltigen Blättern, die sie zu
     Schalen geformt hatte, und schöpfte für jeden von uns etwas von dem Eintopf. Die Schale für Scullyrumpus stellte sie auf den
     Boden, sie war zu schwer, als dass er sie hätte halten können. Verdrießlich kletterte er von ihrem Bein herunter und fing
     an den dampfenden Inhalt aufzulecken. Inzwischen gab Rhia Hallia und mir je einen Streifen Lindenrinde als Löffel (oder, wenn
     sie zerkrümelt wurde, als zusätzliche Würze).
    Die letzten Schimmer des Tageslichts, lavendelblau wie Blütenblätter, verschwanden von den ausgedehnten Wäldern, die sich
     vom Fuß unseres Hügels in die Ferne zogen, während wir uns den kräftigen nussigen Eintopf schmecken ließen. Obwohl es dämmerte,
     standen noch keine Sterne am Himmel. Ich schaute hinauf und schätzte unsere Chancen ab, sie später zu beobachten. Zu meiner
     Bestürzungsammelten sich im Norden dicke Wolken. Schon zogen sie über den dunkelnden Himmel wie Kriegsschiffe, die in einen stillen
     Hafen segeln.
    Dann tischte Rhia jedem zwei kleine goldene Kuchen auf. Mit einem Sahnehäubchen aus der Orchideenmilch und einer Prise Minze
     waren sie der perfekte Nachtisch – falls Rhia nicht noch einen anderen vorgesehen hatte. Und tatsächlich gab es zwei. Zuerst
     teilte sie frische Scheiben Honigwaben aus, die mit der raffinierten Herbheit von Hagebuttenblüten gewürzt waren. Dann holte
     sie unter den Kohlen des Feuers den allerletzten Apfel der Saison hervor, das Geschenk eines der spät blühenden Obstbäume
     in der Druma, der mit verschwenderischen Mengen Honig und Zimt gebacken war.
    Während wir die dampfenden, saftigen Apfelschnitze unter uns aufteilten, nahm Rhia Dreifuß und Kochtopf vom Feuer und legte
     ein paar Tannenzweige nach. Sofort loderten die Flammen höher. Ich sah, wie mein Schatten in dem flackernden Licht schwankte,
     und hatte eine Idee. Leicht klopfte ich mit dem Finger auf den Schatten und wies mit dem Kopf auf die Flammen.
    Sofort sprang mein Schatten näher ans Feuer. Er warf sich auf den Felssims hinter Rhia und fing an zu tanzen, wirbelte wild
     und drehte sich. Als Scullyrumpus das sah, schrie er vor Angst, ließ seinen Apfelschnitz fallen und huschte

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