Merode-Trilogie 1 - Teufelswerk: Historischer Krimi aus der Herrschaft Merode (German Edition)
Wo ist Euer Mündel?“
Paulus verneigte sich steif und nahm Platz, strich sich über den sorgsam gepflegten Bart. „Herr Rikalt schläft bereits“, erklärte er mit einem Anflug von Verlegenheit, als wüsste er nur zu genau, was nun folgen würde.
Ein ohrenbetäubendes Lachen dröhnte durch den Saal, dass es von den Wänden widerhallte. „Mein Vetterchen schläft bereits“, johlte Konrad und schnappte nach Luft. „Habt Ihr ihm wenigstens eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt, Paulus?“
Mathäus verschluckte die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag. Stattdessen sah er den Burgvogt nur vorwurfsvoll an.
„Was glotzt Ihr, Dorfherr? Habe ich die Blattern?“
„Ihr wisst, dass Herr Rikalt aus protokollarischen Gründen anwesend sein muss, Herr Paulus.“
„Ihr könnt ja gerne gehen und ihn wecken.“
„Aber meine Herren“, warf Konrad ein, der sich inzwischen von seinem Lachanfall erholt hatte und seine ungebetenenGäste spöttisch betrachtete, „was soll das weibische Gezeter? Lassen wir das Protokoll heute beiseite und besprechen die Sache unter uns Männern. Von den Toten auferwecken können wir das Mädchen ohnehin nicht mehr.“
Mathäus zuckte mit den Achseln. „Meinetwegen, ich bin nicht der Herr von Merode und habe mir solcherlei Bestimmungen nicht ausgedacht. Man hat mich lediglich mit deren Durchführung betraut.“
„Euer Pflichtgefühl in Ehren“, sagte Paulus und unterdrückte demonstrativ ein Gähnen, „lasst uns nun zum Wesentlichen kommen, damit wir nicht um Mitternacht noch hier sitzen. Wie wir alle wissen, wurde also heute ein Mädchen der Herrschaft umgebracht. Würdet Ihr uns liebenswürdigerweise Bericht erstatten, Mathäus?“
Die beiden Männer sahen sich kalt an. Jeder einzelne Bewohner der Herrschaft wusste, dass sie sich nicht mochten. Für Paulus war Mathäus nur ein Bürgerlicher, und der Burgvogt machte keinen Hehl daraus, dass er am liebsten seinen eigenen Sohn im Amt des Dorfherrn sähe. Aber vorläufig war es sinnvoll, der Empfehlung des Jülicher Markgrafen zu folgen. Der Vogt ließ unterdessen keine Gelegenheit aus, dem Emporkömmling, der Mathäus in seinen Augen war, seine Verachtung zu zeigen.
Ruhig und sachlich schilderte der Dorfherr ihnen seine Erkenntnisse, verschwieg auch nicht, die alte Sibylle an den Tatort geholt zu haben. Ein unbestimmtes Bauchgefühl jedoch hieß ihn, den gefundenen roten Stofffetzen vorerst zu verschweigen.
Paulus hatte die ganze Zeit über an seinem vernarbten Ohr gezupft. Nun faltete er die Hände und warf Mathäus einen nahezu belustigten Blick zu. „Wirklich gute Arbeit, Dorfherr“,nickte er, „deshalb freut es mich, Euch sagen zu dürfen, dass ich den Mörder bereits festgenommen habe.“
„Ihr habt … was?“
Konrad zog amüsiert eine Braue in die Höhe. „Immer für eine Überraschung gut, unser guter Paulus, immer mit einem feinen Sinn für Dramatik.“
Mathäus unterdrückte den Reflex, seine Hände zu Fäusten zu ballen. „Es wäre wirklich sinnvoll gewesen, uns das gleich zu Beginn mitzuteilen, Herr Paulus.“
„Aber Mathäus, das Protokoll!“
„Wen habt Ihr festgenommen?“
„Es ist ein Fremder, ein durchreisender Kaufmann aus Böhmen auf dem Weg nach Flandern. Handelt mit Tuchen. Zumindest behauptet er das.“
„Aus Böhmen! Das ist weit weg.“
Paulus hob die Schultern. „Mörder gibt es überall.“
„Hat er gestanden?“
„Nein. Aber glaubt mir, er wird es tun.“
„Weshalb denkt Ihr, dass er der Mörder ist?“
„Er saß im
Carolus Magnus
und verhielt sich recht auffällig. War nervös und zitterte am ganzen Leib. Die frisch begangene Mordtat rüttelte offenbar an seinem Gewissen.“
„Trug er Waffen?“
„Einen Dolch.“
„Ich will ihn verhören. Heute noch. Wo ist er?“
„Im Kerker des Ostflügels. Ich werde Euch hinführen.“
„Zuerst möchte ich mit dem Jungen sprechen, der die Tote gefunden hat.“
In Paulus’ Augen blitzte es böse. „Hat das nicht Zeit bis morgen?“
„Nein, hat es nicht.“
Der Vogt warf Konrad einen Hilfe suchenden Blick zu. Der schwenkte seinen Weinbecher. „Sein gutes Recht“, befand er, „schließlich ist er als Dorfherr für die Klärung des Falles verantwortlich.“
Wortlos verließ Paulus den Saal, kehrte nach kurzer Zeit mit dem kleinen Benno zurück. Dieser senkte ehrfurchtsvoll den Kopf vor den hohen Herren, trotzdem erkannte Mathäus sein geschwollenes Auge.
„Du hast dich geprügelt, Benno?“
„Nein, Herr!“
„Was ist mit
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