MERS
anfühlen, und lacht, pißt, hat Stuhlgang und
schläft. Auch mag er uns.
Er hat Mama ebenfalls gemocht, als wir ihn mitgenommen haben,
damit er sie sehen konnte. Mama geht’s jetzt gut. Dannos Tod war
eine schlimme Zeit. Sie wollte eine Beerdigung. Sie wollte ihn auf
dem Friedhof neben Papa begraben, und niemand gab sich die Mühe,
ihr zu sagen, daß es nichts zum Begraben gab. Nur mein Zeugnis
besagte, daß er im Computer-Kontrollraum gewesen war. Mein
Zeugnis und zusammengeschmolzene Teile seiner Pistole, die NatSich
anhand der Nummer als die seine erkannte.
Wir haben ihr gesagt, Danno sei verbrannt worden, und ich bin mit
ihr und etwas Asche zu Papas Grab gegangen. Es war menschliche Asche,
wessen, weiß ich nicht, die Dr. Vrieland für mich besorgt
hatte. Margarethe Osterbrook war wieder da und las eine Messe, und
Mama verstreute die Asche. Ich dachte an Danno, wie er ein kleiner
Junge war, und daran, wie groß er mir damals vorgekommen war.
Es war traurig, Mama war traurig, Danno war traurig, und ich weinte,
wie ich um Papa geweint hatte.
Julius schaffte es nicht zur Beerdigung. Zwei Tage nach dem Feuer
bei Brandt hatte er einen Schlaganfall erlitten und liegt seitdem im
Krankenhaus. Er wird es nicht mehr verlassen. Seine Augen bewegen
sich, aber er ist gelähmt, taub und stumm und, wie ich hoffe,
ohne Bewußtsein. Manchmal spielen sie ihm Palestrina vor.
Hannes Vrieland hat das Baby zur Welt gebracht. Genauer gesagt,
ich habe Paulus zur Welt gebracht, und Hannes hat ihn aufgefangen.
Womit er seine gute Fangtechnik unter Beweis stellte. Er war ebenso
erfreut wie wir. Anna war ebenfalls da. Sie weiß, daß sie
eifersüchtig werden wird, aber bis jetzt ist sie erfreut.
Vielleicht wird sie die Kluft von sechzehn Jahren zwischen ihnen
schützen. Ihr stehen aufregende Zeiten bevor. Nach vierzig
Jahren Bevölkerungsrückgang stehen ihr alle Wege offen. In
weiteren zwanzig Jahren werden einige Berufe im Endeffekt völlig
in weiblicher Hand sein, und junge Männer werden sie nur
stillschweigend geduldet ergreifen. Es sind nicht bloß die
Jobs, auch die Erwartungen sind andere geworden. Nicht jeder kann
alles tun, das war noch nie so. Aber die Möglichkeit dazu ist
vorhanden. Dank der kosmischen Ordnung, dank Gott der Mutter, dank
einer verirrten Rakete, die auf ein unverantwortliches genetisches
Experiment niederging, gibt’s nun ein wenig positive
Diskriminierung.
In drei Monaten wird mein Mutterschaftsurlaub vorüber sein,
und ich werde zu entscheiden haben, ob ich ins Institut
zurückkehre oder nicht. Dr. Vrieland sorgt sich um mich. Ebenso
wie Mark. Ebenso wie Anna, Yvette, Mama, Gusso, die Äbtissin,
Julius’ Geist und die zusammengezogenen Verbände der
Präsidentengarde. Verdammt sollte ich sein, wenn ich
zurückkehre, und verdammt sollte ich sein, wenn ich nicht
zurückkehre. Das Institut hat auf AIDS-Forschung umgeschaltet,
der C 4 -Impfstoff hat interessante Implikationen, und Natya
leitet das Programm. Paulus aufzuziehen, all die neuen Paulusse
aufzuziehen ist eine nützliche Beschäftigung.
Eine Untertreibung. Vierzig Jahrgänge an Männern fehlen.
Ihre Nachfolger aufzuziehen ist der wichtigste Job überhaupt.
Fehler der Vergangenheit erwuchsen aus Zwängen der Vergangenheit
und müssen nicht wiederholt werden. Für die nächsten
zwanzig Jahre werden die meisten Paulusse keine Väter haben:
ihre Mütter formen sie bereits. Jeder flüchtige Blick ist
wichtig. Allzu wichtig. Wir müssen zur Ruhe kommen.
Wenn ich ans Institut zurückkehre, wird sich Paulus dann
vernachlässigt vorkommen? Wenn ich zu Hause bleibe, wird er sich
gewaltig vorkommen? Zum Glück habe ich Mark, der ein guter Mann
ist. Ich habe ebenfalls eine Arbeit, die ich liebe. Ich benötige
einen Präzedenzfall, und es gibt keinen. So etwas wollten die
Leute stets haben, nämlich einen neuen Anfang. Er saugt,
scheißt und pißt, und er ist ein Wunder. Ebenso wie
Anna.
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