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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Der Bevölkerungsrückgang
Jahr 40: Ende Oktober
1
     
    Ich traute meinen Ohren nicht. Ich traute ihnen doch. Und Dr.
Martons Show war so beschämend und schamlos zugleich, daß
es mir tatsächlich einmal die Sprache verschlug. Er
lächelte, er breitete die Hände aus, er starrte zur mit
Zedernholz getäfelten Decke empor, er vertrat seinen Standpunkt
nach allen Regeln der Kunst. Er bluffte. Während ich ihn
beobachtete, wie er funktionierte, während ich ihn hinter seinem
wertvollen antiken Schreibtisch sitzen sah, umgeben von seinem
Arrangement aus Bildschirmen und Telefonen, seiner Maschinerie der
Macht, fürchtete ich mich jäh vor ihm. Oswald Marton war
der Chefsekretär der Ministerin. Wie es hieß, hörte
sie auf ihn.
    Ich verschränkte die Hände im Schoß. Die Knie
hatte ich zusammengepreßt, den Saum meines weißen
Laborkittels darübergezogen, und den Rücken hielt ich
gerade aufgerichtet. Ich wartete kühl, ließ ihn einfach
weitermachen. Ich war nicht irgendeine rotznasige Bürostute. Ich
hatte gleichfalls Freunde und eine Position. Vielleicht wären
ihm mein Schweigen sowie sein Wortschwall irgendwann peinlich.
    Ihm? Marton? Oswald Marton und peinlich?
    Ironie an der Sache war, daß ich meine Sekretärin rein
aus Höflichkeitsgründen darum gebeten hatte, diesen Termin
zu machen. Irgendwo hatte der Amtsweg offenbar eine falsche Richtung
eingeschlagen, und ich hatte mich entschlossen, die Angelegenheit
persönlich ins Reine zu bringen, ein ruhiges Gespräch mit
jemandem zu führen und somit der Abteilung das Gesicht zu
wahren. Ich wußte, wie Regierungsstellen arbeiteten. Es war
nicht einfach, aber Maggi quetschte diesen Termin zwischen eine
Voice-Over-Session mit den verdammten Fernseh-Leuten und eine
Computer-Zeit, die ich bereits beim Zentralrechner des Instituts
gebucht hatte. Sie gestattete mir siebenundfünfzig Minuten:
dreißig Minuten fürs Hin und Zurück, sowie
fünfzehn Minuten, während derer ich die Sache mit meinem
Antrag bereinigen konnte.
    Fünfzehn Minuten, wie sich jetzt herausstellte, die
ausreichten, daß ich mir wie ein rotznasiges Schulmädchen
vorkam.
    Marton hatte seinen Vortrag beendet. Er schwieg, ebenso wie ich.
Der Raum war ein Prachtstück, ausgelegt mit Zedernholz, reiche
Schnitzarbeit. Er wirkte eher wie ein privates Arbeitszimmer und
nicht wie ein Regierungsbüro. Ich vernahm entfernten
Verkehrslärm, daraufhin das langsame Klopfen eines von Martins
Fingern auf dem roten Leder seiner Schreibunterlage, während er
meinen Blick erwiderte. Ich sagte nichts, und er auch nicht. Er
wirkte beleidigend unbekümmert.
    Nachdem er schließlich seine Ansicht klargestellt hatte,
räusperte er sich und knipste ein weiteres seiner Lächeln
an. »Tee, Dr. Kahn-Ryder?«
    Ich schüttelte den Kopf. Es war eine winzige Bewegung
gewesen, aber er hatte sie auf der Stelle bemerkt. Man mußte
Marton niemals etwas zweimal sagen. Ich hatte irgendein Mädchen
erwartet, irgendeine Büroangestellte; ich hatte den
Chefsekretär der Ministerin persönlich bekommen.
Chefsekretär Marton. Ein Mann. In jenen Tagen, vierzig Jahre
nach Beginn des Bevölkerungsrückgangs, waren lediglich die
obersten Etagen in der Hierarchie mit Männern besetzt. Sie
mochten eine aussterbende Rasse sein, aber sie klammerten sich an die
Macht.
    Marton verfolgte die Sache mit dem Tee nicht weiter. Er setzte zu
einer Wiederholung an.
    »Offen gesagt, Dr. Kahn-Ryder, überrascht mich Ihre
Anwesenheit hier.« Sie hatte ihn während der letzten zehn
Minuten überrascht. »Die Aktennotiz der Ministerin war
eindeutig. Bedauerlich, natürlich – niemand sagt einer so
ausgezeichneten Wissenschaftlerin wie Ihnen gern nein.« Er befingerte erneut meinen Antrag. »Wie dem auch sei, es
überrascht mich, daß Sie persönlich an die
Öffentlichkeit gehen wollen. Die Forschungsergebnisse ihres
Teams sind ganz klar unvollständig. Sie stützen Ihre
Schlußfolgerungen nicht. Das International Patent Office
würde uns auslachen. Vorzeitige Veröffentlichung
ist…«
    »Das überlassen wir doch besser dem IPO, Dr. Marton.
Nicht Ihnen – und gewiß nicht auf Grundlage jener
Zusammenfassung, die Sie dort vor sich liegen haben. Können Sie
sich wirklich vorstellen, daß mich die World Health
Organization im Dezember nach Paris eingeladen hätte,
wenn…?«
    »Die Abteilung arbeitet nicht in einem Vakuum, Dr.
Kahn-Ryder. Wir holen Rat ein.« Er lehnte sich zurück und
rieb sich erschöpft die Augen. »Wir haben Berater. Wir
erfassen die

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