Metropolis brennt
Entfernung von der Erde
Also auch ist
Schon vergangen die Große Stadt
Was auch an ihr frißt
Es wird nicht mehr satt.
Sie steht nicht mehr lang da
Der Mond wird älter.
Du, der sie sah
Betrachte sie kälter.
Bertolt Brecht
Ich habe Angst vor Städten. Aber man darf sie nicht verlassen. Wenn man sich zu weit hinauswagt, trifft man auf den Vegetationsring. Die Vegetation ist kilometerweise auf die Stadt zugekrochen. Sie wartet. Wenn die Stadt tot ist, wird die Vegetation in sie eindringen, sie wird die Steine überwuchern, wird sie umklammern, sie von innen aushöhlen, wird sie mit langen, schwarzen Zangen sprengen; sie wird die Löcher verstopfen und überall grüne Pfoten herunterhängen lassen. Man muß in den Städten bleiben, solange sie lebendig sind.
Jean-Paul Sartre
C.M.Kornbluth
Der glücklichste Mensch in Denv THE LUCKIEST MAN IN DENV
Mays Mann Reuben, Atomist vom dreiundachtzigsten Stockwerk, wußte sofort, daß etwas nicht stimmte, als er das Fernglas aufblitzen und dann trübe werden sah. Er fluchte innerlich und hoffte, sich nicht in eine schlimme Sache hineinmanövriert zu haben. Er reichte das Fernglas zurück an Rudolphs Mann Almon, Wartungsspezialist vom neunundachtzigsten Stock, und lächelte.
„Taugt nicht viel“, sagte er.
Almon hob das Glas vor die Augen, sah über die Brüstung und begann zu fluchen. „Schwärzer als das Herz eines verrückten Angelo, was? Keine Bange, hier ist ein anderes.“
Dieses Glas war makellos. Reuben betrachtete damit die zahllosen Wolkenkratzer und Penthäuser von Denv, die sich unter ihm erstreckten. Doch er war zu besorgt, um sich über den ersten Blick aus dem neunundachtzigsten Stock auf die Stadt zu freuen, daher brachte er lediglich ein bewunderndes Murmeln zustande. Nun galt es, seinen plötzlich bedrohlichen Gefährten loszuwerden und nachzudenken.
„Könnten wir …?“ fragte er geheimnisvoll mit einer angedeuteten Aufwärtsbewegung seines Kinns.
„Besser nicht“, sagte Almon hastig und nahm ihm das Glas wieder weg. „Was ist, wenn einer mit Sternchen herübersieht? Wie würde es dir denn gefallen, wenn sich so ein dreister Bursche erfrechen würde, dich mit dem Fernglas zu bespitzeln?“
„Das würde keiner wagen!“ sagte Reuben und gab vor, dumm und gekränkt zu sein, doch wenige Augenblicke später fiel er in Almons freundschaftliches Lachen ein.
„Vergiß es“, meinte Almon. „Wir sind jung. Eines Tages vielleicht, wer weiß? Vielleicht können wir sogar vom fünfundneunzigsten Stock heruntersehen, oder gar vom hundertsten.“
Obwohl Reuben wußte, daß der Wartungsspezialist ihm nicht freundlich gesinnt war, pochte bei diesen Worten das Blut in seinen Schläfen. Einen Augenblick loderte das Feuer seiner Ambitionen hell auf.
Er zog ein langes Gesicht und sagte zu Almon: „Hoffen wir es. Vielen Dank für deine Freundlichkeit. Doch nun muß ich in meine Quartierzone zurückkehren.“
Er verließ die windumtoste Terrasse und betrat den luxuriösen Flur des neunundachtzigsten Stocks, wo er die Treppe zum spartanischen Flur seiner eigenen, weniger luxuriösen Etage hinabstieg. Selene erwartete ihn lächelnd am Fuß der Treppe.
Sie hatte sich hübsch zurechtgemacht – zu hübsch. Sie trug ein stahlfarbenes Korsett und hatte etwas Parfüm benutzt. Ihr Haar hing lang herab. Diese Kombination sprach ihn an, er verschärfte seine Wachsamkeit augenblicklich. Warum hatte sie sich die Mühe gemacht, etwas über seinen Geschmack in Erfahrung zu bringen? Was hatte sie vor? Schließlich war sie Griffins Frau.
„Du kommst herunter ?“ fragte sie. „Wo bist du gewesen?“
„Im neunundachtzigsten Stock. Als Gast meines Freundes Almon. Der Ausblick ist überwältigend.“
„Ich war noch nie …“ murmelte sie, dann fuhr sie mit aller Entschlossenheit fort: „Dorthin gehörst du – oder noch höher. Griffin lacht mich aus, aber er ist ein Narr. Letzte Nacht unterhielten wir uns in der Kammer über dich. Ich weiß auch nicht, wie wir darauf kamen, jedenfalls wurde er schließlich sehr wütend und sagte, er wolle kein weiteres Wort mehr hören.“ Sie lächelte gehässig. „Aber ich bekam meine Rache.“
Er antwortete ihr ausdruckslos. „In Sachen Rache scheinen deine Fähigkeiten außergewöhnlich zu sein, Selene. Auch darin, die Notwendigkeit zur Rache heraufzubeschwören.“
An der Anspannung ihrer Gesichtszüge erkannte er, daß er mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte, daher
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