Midnight Fever: Verhängnisvolle Nähe (German Edition)
eine Tätowierung von Nahem gesehen, und diese war umwerfend, kunstvoll und naturgetreu. Es war eine Kobra. Der Kopf mit dem gespreizten Nackenschild war sehr detailreich auf den Handrücken tätowiert, der Leib schlängelte sich um den kraftvollen Unterarm. Wenn der Mann die Hand bewegte, schien sich auch die Schlange zu bewegen. Ein fesselnder Effekt.
Seine Hände waren außergewöhnlich schön – langgliedrig, elegant, geschmeidig. Kräftig, ohne fleischig zu sein. Er mochte zwar Schwerarbeiter sein, hatte aber saubere, kurz geschnittene Fingernägel.
Claire räusperte sich und wandte sich ihm zu, um ihm direkt in die Augen zu sehen. »Ich möchte Ihnen danken«, sagte sie, »weil Sie diesen Kerl verjagt haben.« Die Musik war für einen Augenblick leiser, und man konnte sich unterhalten, ohne zu schreien.
»Nicht der Rede wert.« Er hatte eine klare, tiefe Stimme, einen angenehmen Bass, der in ihrem Brustkorb vibrierte.
Von Nahem betrachtet, war er unwiderstehlich. Klare, ernste Züge, eine kräftige, gerade Nase, ein kantiges Kinn, volle Lippen. Als ihre Blicke sich trafen, hielt sie unwillkürlich die Luft an. Seine Augen waren hellbraun und so durchdringend und wachsam wie die eines Greifvogels. Stärke und Leidenschaft lagen darin. Ihr war, als könnte sie sich fallen lassen und würde aufgefangen und gehalten werden.
Sie atmete tief durch. Auf ihren Instinkt konnte sie sich verlassen. Sie wollte sich nach vorn fallen und auffangen lassen.
»Ich heiße Claire. Claire … Schuyler.« Das war nicht ganz die Wahrheit. Sie hieß Claire Schuyler Parks. Schuyler war der Mädchenname ihrer Mutter, und unter dem hatte sie ihre neue Arbeitsstelle angetreten. Heute Abend wollte sie nicht Claire Parks sein, Tochter einer der ältesten Familien Portlands. Sie wollte Claire Schuyler sein, die bedeutungslose Sekretärin.
Ganz abgesehen von der Tatsache, dass der Name Claire Parks vor zehn Jahren Schlagzeilen im
Oregonian
gemacht hatte. Claire Parks gehörte der Vergangenheit an.
»Bud«, sagte der Mann. »Bud Morrison.« Er streckte ihr die Hand hin. Nach kurzem Zögern nahm sie sie, und bei dem heftigen Funken, der da übersprang, blieb ihr fast das Herz stehen.
Ihr Wohlbefinden und das Gefühl, beschützt zu werden, wurden intensiver, und dabei passierte etwas, worauf sie überhaupt nicht vorbereitet war und was sie in ihrem ganzen Leben noch nicht empfunden hatte. Als sich seine große Hand um ihre schloss und sie sanft drückte, fuhr ihr ein Kribbeln durch den Arm, und sexuelle Erregung durchströmte sie warm. Sie spürte jeden Nerv, und im Nacken richteten sich die Haare auf.
Der Anblick ihrer verschränkten Hände fesselte sie. Sie waren wie ein Sinnbild für die Vereinigung von Mann und Frau, von Kraft und Zartheit.
Bisher war sie von keinem Mann berührt worden, außer von den Ärzten und ihrem Vater. Die Ärzte hatten weiche, fast feminine Hände gehabt, und ihr Vater hatte die schwächlichen, fleckigen Hände eines alten Mannes.
Ihre Hand war nur halb so groß wie die von Mr Morrison und verschwand darin vollständig. Seine war nicht weich, nicht schwächlich, sondern hart, warm, stark und sehnig. Auf dem Handrücken verliefen Adern und sowohl alte als auch frische Narben.
Claire fühlte sich kraftvoll und doch sanft umfangen. Und nicht nur das.
Diese Woge der Erregung, die sie durchlief, hätte sie sich nicht einmal vorstellen können.
Ringsherum war die Atmosphäre sexuell aufgeladen. Das
Warehouse
war eine große Testosteron- und Östrogenpumpe und hatte sie dennoch kaltgelassen. Jetzt strömte Sex durch ihre Adern, als hätte jemand eine Schleuse geöffnet.
Bud Morrison war eben ein echter Mann. Er war im Ganzen schlicht, fast schon billig gekleidet, hatte nichts Trendiges an sich, angefangen beim Haarschnitt bis hin zu den unpolierten, unmanikürten Fingernägeln. Er sah sich nicht in der Menge um, war demnach nicht darauf aus, sich eine Frau zu angeln. Er legte es auch nicht darauf an, Blicke auf sich zu ziehen.
Gegen ihn wirkten alle anderen Männer im
Warehouse
wie junge Hunde.
Erschrocken merkte Claire, dass sie beide noch nicht losgelassen hatten. Sie hielten tatsächlich Händchen. Als sie sacht zog, gab er sie ohne Zögern frei. Und sofort vermisste sie die Wärme und den Kontakt.
Das war verrückt. Zwar fühlte sie sich völlig sicher – was vielleicht im Nu umschlagen konnte –, aber deshalb sollte sie bei einem wildfremden Mann nicht gleich so verträumt sein.
»Was wollen
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