Mindhunter – Shanes Ehre
anzugreifen, konnten sie genauso gut die amerikanische Flagge verbrennen, denn dann waren sie keinen Deut besser als der Terroristenabschaum, auf den sie Jagd machten.
»Wie lang geht das Stück noch?«, fragte Shane.
»Ich … kenne es nicht so gut«, gab Magic zu. »Ich habe es nur einmal gesehen, aber … wenn ich raten müsste, würde ich sagen, das ist wahrscheinlich der letzte Akt.«
»Also nicht mehr so lang.« Shane blätterte zu den nächsten Bildern – Aufnahmen von Suliman aus immer größerer Nähe, wie sie in der dritten Reihe saß, zweiter Platz von außen, mit einem breiten, glücklichen Lächeln in ihrem gottverdammten Kindermördergesicht.
»Von wegen, du kennst Gilbert und Sullivan nicht, oder?«, sagte Magic. »Der Mist kann noch endlos weitergehen.«
Auf der nächsten Bilderserie beugte Suliman sich zur Seite, als höre sie dem Kind zu – einem kleinen Jungen – der auf dem Platz neben ihr saß. Und dann – in einer weiteren Reihe von Aufnahmen, die die Bewegung in eingefrorenen Augenblicken wiedergab – hob sie den Jungen hoch, sodass er auf ihrem Schoß sitzen konnte. Das Gesicht nah an dem des Jungen zeigte sie auf die Bühne, der Junge klatschte in die Hände, und beide lachten.
Scheiße.
»Im Bericht steht nichts davon, dass sie Kinder hat«, sagte Shane verbissen.
»Suliman?«, sagte Magic. »Hat sie auch nicht. Das heißt, sie hatte welche, aber jetzt nicht mehr. Sie sind alle tot.«
»Vielleicht … Nichten und Neffen …?« Shane blätterte durch die Bilder zurück.
»Nein, sie wurden alle umgebracht«, sagte Magic. »Ihre ganze Familie wurde zur Hölle gejagt. Das hat sie so verdammt skrupellos gemacht. Sie hat niemanden, Commander. Die hat vor nichts mehr Angst, kennt nur noch ihre Wut.«
Shane schaltete das Sichtgerät ab und nahm es herunter. »Nenn mich nicht so.«
»Du weißt doch, dass du’s so gut wie geschafft hast«, sagte Magic. »Nach
dem
Einsatz …? Wird Admiral Hotkiss den Flieger persönlich in Empfang nehmen und dich abknutschen. Und dann wird er dir die Hand seiner Nichte geben – ach, Moment. Was für ein Zufall! Das hat er ja schon.«
Magic war überzeugt, dass Shanes Verlobung mit Ashley Hotchkiss gleichzusetzen war mit einer arrangierten Ehe zwischen Mitgliedern der Konzern-Aristokratie und einem jungen, rasch aufstrebenden Offizier der US Navy. Sie war, beharrte er, Teil eines heimtückischen Plans, die zukünftigen Führer des US-Militärs sicher unter der Kontrolle der Konzerne zu halten.
Aber Magic kannte Ashley nicht so gut wie Shane. Die Vorstellung, dass sie Shane bloß heiratete, weil der Bruder ihres Vaters es verlangte, war einfach lächerlich.
Ashley mit ihrer lebhaften Schönheit, den umwerfenden blauen Augen, ihrem klassisch hübschen Gesicht, dem gertenschlanken Körper einer Tänzerin, ihrem scharfen Verstand und Sinn für Humor … Sie hätte jeden Mann haben können –
jeden
– den sie wollte, einschließlich eines ganzen Haufens mächtiger Offiziere viel höheren Rangs. Aber sie hatte sich in Shane verliebt. Dafür hatte er gesorgt.
»Dieser Schwachsinn wird langsam alt.« Shane reichte seinem Freund jetzt das Sichtgerät. »Benutz dein Riesenhirn zur Abwechslung mal für was Sinnvolles und sieh dir diese Bilder an – insbesondere die zum Ende hin. Dieser kleine Junge sieht Suliman viel zu ähnlich, um nicht ihr Kind zu sein.«
Und das bedeutete, dass ihr Job hier gerade noch schwerer geworden war. Denn wenn dieser Junge der von Suliman war, konnte Shane nicht einfach einen Schlag auf das Haus, wo sie heute Nacht schlief, anordnen, denn sonst würde das Kind auch getötet werden.
In der Zwischenzeit ging Magic die Bilder durch. »Mann, was …? Moment … Nein, nein, nein, das ist sie nicht.«
Na ja, Shane
könnte
es anordnen, aber er würde nicht, und …
»Wie bitte?«, fragte er schroff.
»Himmel, du kannst echt nerven«, murmelte Magic. »Wir sind allein hier draußen, Ricky kann uns nicht hören, und
trotzdem willst du
unbedingt
, dass ich dich
Sir
nenne, bloß weil ich deine Schickimicki-Freundin aufgezogen habe?«
»Schickimicki-Verlobte«, korrigierte Shane ihn. »Und, nein, Arschloch. Ich habe nachgefragt, weil ich dachte, du hättest gerade gesagt –«
»Dass das nicht Rebekah Suliman ist? So ist es. Ich habe keinen blassen Schimmer, wer das ist, jedenfalls nicht sie.«
»Aber die Gesichtserkennungssoftware –«
»Irrt sich«, beendete Magic wieder den Satz für ihn, während er immer noch durch die
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