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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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schwarze Pferd gewesen, das in der Nacht im Hof gestanden hatte, an den Pfahl gekettet.
    Und das kleine Fohlen war jenes, das von Ritter Kato aus 164
    dem Wald der Dunkelheit geraubt worden war. Dieses kleinen Fohlens wegen hatten die hundert weißen Pferde Blut geweint. Nun brauchten sie nicht mehr zu weinen.
    Jetzt sollten sie bald ihr Fohlen wiederbekommen.
    »Aber alle die anderen, die Ritter Kato geraubt hat«, sagte Jum-Jum, »die verzauberten Vögel, wo sind sie geblieben?«
    »Laß uns zum See hinunterreiten und nach ihnen suchen«, sagte ich.
    Wir kletterten auf Miramis’ Rücken, und das kleine Fohlen trabte hinter uns her. Wir ritten aus dem Burgtor hinaus.
    Im selben Augenblick hörten wir hinter uns etwas Schreckliches. Wir hörten ein Getöse, ein Getöse, das den ganzen Erdboden erzittern ließ. Ritter Katos Burg war es, die zusammenstürzte und zu einem großen Steinhaufen wurde. Keine Türme waren mehr dort, keine Säle, keine Wendeltreppen, keine Gitterfenster, nichts, nichts mehr. Nur ein großer Haufen Steine. »Ritter Katos Burg ist nicht mehr«, sagte Jum-Jum. »Nein, nun gibt es hier nur noch Steine«, sagte ich. Vom Burgfelsen schlängelte sich ein Pfad zum See hinunter, ein steiler 165
    und schmaler und gefährlicher Pfad. Miramis kletterte sehr vorsichtig und setzte die Hufe sehr genau, und das tat auch das kleine Fohlen. Und ohne Schaden kamen wir hinunter an den Strand.

    Auf einem Steinplateau dicht am Fuß des Felsens stand eine Gruppe Kinder. Sicher hatten sie uns erwartet. Mit strahlenden Gesichtern kamen sie uns entgegen. »Oh, dort sind Nonnos Brüder!« sagte Jum-Jum. »Dort ist Jiris kleine Schwester, und da sind alle die anderen. Es gibt keine verzauberten Vögel mehr.« Wir sprangen von Miramis. Alle Kinder umringten uns. Sie sahen etwas schüchtern aus, aber doch auch freundlich und glücklich.
    Ein Junge, einer von Nonnos Brüdern, nahm meine Hand und sagte leise etwas, als wolle er nicht, daß es jemand höre:
    »Ich bin so froh, daß du meinen Mantel hattest. Und ich bin so froh, daß wir nicht mehr verzaubert sind.« Ein Mädchen kam auch zu mir. Es war Jiris Schwester.
    Sie sah mich nicht an, sondern blickte auf den See – so schüchtern war sie – und sagte mit leiser Stimme:
    »Ich bin so froh, daß du meinen Löffel hattest. Und ich 166
    bin so froh, daß wir nicht mehr verzaubert sind.«
    Der andere von Nonnos Brüdern legte seine Hand auf meine Schulter und sagte:
    »Ich bin so froh, daß wir dein Schwert aus der Tiefe fischen konnten. Und ich bin so froh, daß wir nicht mehr verzaubert sind.«
    »Aber jetzt liegt das Schwert wieder auf dem Grunde des Sees«, sagte ich. »Und das ist nur gut, denn nun brauche ich nie mehr ein Schwert.«
    »Nein, und wir können es nie mehr heraufholen«, sagte Nonnos Bruder, »denn wir sind jetzt keine verzauberten Vögel mehr.«
    Ich sah mich unter all den Kindern um.
    »Wer ist die kleine Tochter der Weberin?« fragte ich die Kinder.
    Da wurden alle still. Niemand sagte etwas.
    »Wer ist die kleine Tochter der Weberin?« fragte ich noch einmal, denn ich wollte ihr erzählen, daß mein Mantel mit Stoff gefüttert sei, den ihre Mutter gewebt hatte.
    »Milimani ist die kleine Tochter der Weberin«, sagte Nonnos Bruder.
    167
    »Wo ist sie?« fragte ich.
    »Dort liegt Milimani«, sagte Nonnos Bruder.
    Die Kinder traten zur Seite. Ganz unten am Rand des Wassers lag auf den Steinen ein kleines Mädchen. Ich lief hin und sank neben ihr in die Knie. Mit
    geschlossenen Augen und stumm lag sie da. Sie war tot.
    Ihr Gesicht war weiß und klein. Ihr ganzer kleiner Körper war verbrannt.
    »Sie ist gegen die Fackel geflogen«, sagte Nonnos Bruder.
    Ich war entsetzt. Ich war unglücklich und traurig.
    Meinetwegen war Milimani gestorben. Nichts war mehr schön, denn Milimani war meinetwegen gestorben. »Sei nicht traurig«, sagte Nonnos Bruder. »Milimani hat es selbst gewollt. Sie wollte gegen die Fackel fliegen, obwohl sie wußte, daß ihre Flügel Feuer fangen würden.«
    »Aber jetzt ist sie tot«, sagte ich. Und ich war sehr unglücklich. Nonnos Bruder nahm Milimanis kleine verbrannte Hände zwischen seine Hände. »Wir müssen dich hierlassen, Milimani«, sagte er. »Aber bevor wir gehen, wollen wir dir unser Lied singen.«
    Alle Kinder setzten sich neben Milimani auf die Steine 168
    und sangen ihr ein Lied, das sie selbst erdacht hatten.
    »Milimani, unsere kleine Schwester,
    kleine Schwester, die in den Wellen versank,
    versank mit

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