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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Winifred Watson
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zumute, wenn Sie ein Mann geküsst hat?«
    »Wo«, dachte Miss Pettigrew hektisch, »habe ich nur gelesen, dass leidenschaftliches Aufeinanderpressen der Lippen etwas im Magen auslöst? War es tatsächlich der Magen? Es spielt keine Rolle. Ich muss sie beruhigen.«
    »Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte Miss Pettigrew schwach. »Soviel ich weiß, ist es wissenschaftlich erwiesen, dass der Magen …«
    »Ich mache mir keine Gedanken«, sagte Miss LaFosse. »Das ist es ja eben. Ich finde es himmlisch. Es hilft nichts.
Ich komme nicht von ihm los. Sobald er mich ansieht, bin ich Wachs in seinen Händen.«
    »Mit wahrhaft festem Willen …«, merkte Miss Pettigrew zaghaft an.
    »Ich bin das Kaninchen«, sagte Miss LaFosse, »und er ist die Schlange. Wenn die Schlange das Kaninchen starr ansieht, hat das Kaninchen keine Willenskraft mehr. Es rührt sich nicht vom Fleck. Es will nichts anderes, selbst wenn es seinen Tod bedeutet.«
    »Oh, nicht doch den Tod!«, rief Miss Pettigrew entsetzt.
    »Schlimmer als das«, sagte Miss LaFosse.
    Sie sprang auf, ging ins Schlafzimmer und kehrte mit einem Päckchen zurück, das sie Miss Pettigrew auf die Knie legte.
    »Wissen Sie, was das ist?«
    »Es sieht sehr nach diesem Pulver von Beechams aus«, sagte Miss Pettigrew vorsichtig. »Ein vorzügliches Mittel gegen Rheumatismus, überreizte Mägen und Nerven, wenn ich es recht verstanden habe.«
    »Das ist Kokain«, sagte Miss LaFosse.
    »O nein! Nein!«
    Schaudernd vor Entsetzen und Erregung starrte Miss Pettigrew auf das so unschuldig wirkende Pulver. Drogen, Mädchenhandel, lasterhafte Spelunken mit viel rotem Plüsch, falschem Gold und Männern mit unheimlichen schwarzen Schnurrbärten, all das wirbelte ihr als schwindelerregendes Kaleidoskop durch den Kopf. Auf welchen bedrohlichen Sündenpfuhl war sie da gestoßen? Sie musste schleunigst fliehen, wollte sie nicht ihre Tugend verlieren. Doch dann meldete sich ihr gesunder Menschenverstand und erinnerte sie unliebsam daran, dass mittlerweile wohl niemandem mehr daran gelegen war, ihr die Tugend zu rauben. Miss LaFosse war es, die sich in Gefahr befand und
die es zu retten galt. Mit einem Satz war Miss Pettigrew auf den Beinen, stürmte in die Küche, schüttete das Pulver in den Ausguss und kehrte triumphierend zurück.
    »So!«, keuchte sie. »Die Versuchung hätten wir aus dem Weg geräumt.«
    Sie ließ sich auf den Stuhl fallen und fragte in beschwörendem Tonfall: »Sie sind doch nicht etwa dieser Sucht verfallen?«
    »Nein«, sagte Miss LaFosse. »Ich habe nicht ein Körnchen davon genommen. Michael würde es sofort merken. Er lässt sich nicht an der Nase herumführen. Wenn er davon Wind bekäme, würde er mich windelweich prügeln. Dazu ist er durchaus imstande. Und dann würde er als Nächstes den Mann umbringen, der es mir gegeben hat.«
    »Michael!«, stieß Miss Pettigrew hervor. »Doch nicht etwa noch ein junger Mann?«
    »O nein!«, wehrte Miss LaFosse hastig ab. »Nichts dergleichen.«
    Sie starrte in den Kamin.
    »Michael«, erklärte Miss LaFosse mit Grabesstimme, »will mich heiraten.«
    »Oh!«, hauchte Miss Pettigrew.
    »Vor solchen Männern muss eine Frau auf der Hut sein«, sagte Miss LaFosse. »Ehe man weiß, wie einem geschieht, steht man vor dem Traualtar, und schon ist es um einen geschehen.«
    Aus war es mit Miss Pettigrews hochgeheiligten Überzeugungen, bis in die Grundfesten erschüttert ihr naiver Glaube, nur Männer scheuten den Traualtar wie der Teufel das Weihwasser, auf ewig dahin ihre bisher gehegten, einfältigen Vorstellungen. »Ich habe zu abgeschieden gelebt«, dachte Miss Pettigrew. »Welche Fortschritte hat mein Geschlecht
doch zu verzeichnen. Es ist an der Zeit, sich darüber klarzuwerden.«
    Was sie hätte sagen sollen – »Herzchen, die aufrichtige Liebe eines Mannes verschmäht man nicht« -, sagte sie nicht, sondern klappte stattdessen den Mund zu. Schwächliches Gewäsch war hier nicht gefragt. Wie war sie nur auf den Gedanken verfallen, Miss LaFosse beschützen zu müssen? Miss Pettigrew setzte sich bolzengerade hin.
    »Stimmt genau, Baby«, sagte sie.
    »Hä?«, kam es verwundert von Miss LaFosse.
    »So heißt es doch immer in den amerikanischen Filmen«, erläuterte Miss Pettigrew.
    »Ach so!«, sagte Miss LaFosse.
    »Ich habe mir seit jeher sehnlichst gewünscht«, erklärte Miss Pettigrew, »so etwas einmal zu sagen. Mich gehen zu lassen, Sie verstehen schon, was ich meine. Aber das blieb mir immer verwehrt. Wegen der Kinder,

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