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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Kinnbart und Schnäuzer und klopfte dann minutenlang seine Taschen nach einem Feuerzeug ab, während wir uns unterhielten.
    «Mendy, das ist Señorita Otero. Sie kommt mit mir aufs Boot. Ich hab ihr erzählt, dass es bloß ein schäbiger Fischerkahn ist, aber ihr Koffer und sie scheinen zu glauben, dass wir mit der
Queen Mary
in See stechen.»
    Mendys Augen blickten hastig von mir zu Melba und wieder zurück, als würde er einem Tischtennismatch zuschauen. Dann grinste er breit und sagte: «Aber die Señorita hat vollkommen recht, Señor Hausner. Die wichtigste Seefahrtsregel lautet, immer auf alles vorbereitet zu sein.»
    «Danke», sagte Melba. «Genau mein Reden.»
    Mendy sah mich an und schüttelte den Kopf. «Sie verstehen offenbar nicht viel von Frauen, Señor», sagte er.
    «Ungefähr so viel wie von Booten», gab ich zu.
    Mendy lachte. «Ich hoffe doch für Sie, dass es etwas mehr ist.»
    Er führte uns aus der Werft hinaus zu einem L-förmigen Pier, an dem eine hölzerne Barkasse vertäut lag. Wir kletterten an Bord und setzten uns. Mendy warf den Motor an und steuerte uns in die Bucht. Fünf Minuten später machten wir längsseits an einem fünfunddreißig Fuß langen Sportfischerboot fest.
    La Guajaba
war schmal geschnitten, hatte aber ein breites Heck, eine Brücke und drei Kabinen. Sie verfügte über zwei Chrysler-Motoren, die jeder rund neunzig PS brachten, womit das Boot eine Höchstgeschwindigkeit von neun Knoten schaffte. Und das war auch schon so ziemlich alles, was ich über sie wusste, außer, wo ich den Brandy und die Gläser aufbewahrte. Ich hatte einen Amerikaner, dem die Bimini Bar in der Calle Obispo gehörte, bei einer Partie Backgammon geschlagen und das Boot gewonnen. Mit vollem Tank hatte
La Guajaba
eine Reichweite von knapp fünfhundert Seemeilen, und bis Port-au-Prince war es nur halb so weit. Ich hatte das Boot in drei Jahren nur dreimal benutzt und verfügte über ein beeindruckendes nautisches Unwissen. Immerhin wusste ich, wie man einen Kompass benutzte, und ich hatte mir vorgenommen, einfach den Bug Richtung Osten zu drehen und dann getreu dem Navigationsprinzip von Thor Heyerdahl so lange weiterzufahren, bis ich irgendwo gegenstieß. Ich war zuversichtlich, dass wir mit dieser Methode irgendwann auf Hispaniola stranden würden, schließlich war die Insel dreißigtausend Quadratmeilen groß.
    Ich drückte Mendy ein Bündel Geldscheine und meine Autoschlüssel in die Hand und kletterte dann an Bord. Ich hatte überlegt, ob ich Omara erwähnen sollte und dass es besser für mich wäre, wenn er den Mund hielte, aber irgendwie kam mir das ziemlich sinnlos vor. Wahrscheinlich hätte ich so nur die brutale Offenheit heraufbeschworen, die man den Kubanern zu Recht nachsagt, und ganz sicher hätte er gesagt, ich wäre bloß noch so ein Gringo mit zu viel Geld, des Bootes nicht würdig, das mir gehörte, und ich hätte ihm schlecht widersprechen können: Wer sich für ein Stück Zucker ausgibt, den fressen die Ameisen.
    Sobald wir in See gestochen waren, ging Melba nach unten und erschien in einem zweiteiligen Badeanzug mit Leopardenmuster wieder an Deck. In diesem Aufzug hätten ihr sogar die Fische hinterhergepfiffen, wenn sie sie gesehen hätten. Das ist das Schöne an Booten und warmem Wetter. Sie holen das Beste aus den Menschen heraus. Auf der Spitze einer sechzig Meter hohen Landzunge erhob sich die Festung El Morro. Eine lange, bröckelige, in den Felsen geschlagene Treppe führte vom Wasser hinauf. Die Hafeneinfahrt am Fuße der Festung war fast ebenso breit: sechzig Meter offene See, auf die ich bloß zuhalten musste, und trotzdem hätte ich uns um Haaresbreite in die Felsen manövriert. Solange ich Melba anstarrte, standen unsere Chancen schlecht, Haiti heil zu erreichen.
    «Ich wünschte, du würdest dir was überziehen», sagte ich.
    «Gefällt dir mein Bikini nicht?»
    «Er gefällt mir sehr. Aber Kolumbus hatte gute Gründe dafür, dass er an Bord der
Santa Maria
keine Frauen haben wollte. Wenn sie einen Bikini tragen, stören sie den Kurs des Schiffes. Mit dir an Bord hätte er wahrscheinlich Tasmanien entdeckt.»
    Sie zündete sich eine Zigarette an und beachtete mich gar nicht, und ich tat mein Bestes, sie nicht zu beachten. Ich überprüfte den Drehzahlmesser, den Ölstand, das Amperemeter und die Motortemperatur. Dann spähte ich aus dem Fenster des Ruderhauses. Vor uns lag Smith Key, eine kleine Insel, die einst in britischer Hand war. Viele der Fischer und Lotsen in

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