Mittagessen Nebensache
leider absagen. Mrs. Hill fühlte sich nicht wohl, und ihr Mann wollte sie nicht
allein lassen. Wir bedauerten das, weil wir bislang wenig Gelegenheit gehabt
hatten, sie näher kennenzulernen.
Natürlich hatten Larry und ich
einen harten Strauß auszufechten gehabt, bevor unsere Männer sich endlich dazu
herabließen, an dieser Party teilzunehmen. Sie suchten sich aber insofern für
ihre Niederlage zu entschädigen, als sie sich gleich nach unserem Erscheinen
auf die Veranda des Colonel verzogen, um hier in aller Ruhe darüber zu
diskutieren, ob man die Wolle nicht vorteilhafter nach England, anstatt in
Neuseeland verkaufen solle.
Larry warf mir einen grimmigen
Blick zu und nahm Christina fest an die Hand.
»Komm, Susan, bring deinen
Liebling ebenfalls her. Wenn diese Männer sich einbilden sollten, sie könnten
sich auf diese Weise aus der Affäre ziehen, dann haben sie sich geirrt.«
»Mein lieber Sam«, wandte sie
sich gleich darauf mit aufreizender Sanftmut an ihren Teuren. »Ich weiß, wie
wenig du von deiner Tochter zu sehen bekommst, weil du immer so schrecklich
viel Arbeit hast. Für dich ist es bestimmt eine schöne Abwechslung, wenn du
dich heute nachmittag einmal mit Christina und ihrem
kleinen Freund beschäftigen kannst. Paul wird dir sicher gern dabei
Gesellschaft leisten.«
Daraufhin schlenderten wir
seelenruhig in den Schatten der großen Bäume neben dem Tennisplatz, ohne uns an
den bitterbösen Blicken zu stören, die unsere Gatten uns nachsandten. Miss
Adams und Ruth fuhren gerade mit ihrem Lieferwagen vor.
Ruth sah kühl und adrett aus,
aber warum, zum Kuckuck — so flüsterte mir Larry erbittert zu — , müsse sie
sogar auf dem Tennisplatz Marineblau tragen! Das Leinenkleid war hübsch, mit
züchtigem weißen Kragen und weißen Manschetten, aber neben Dawn, die in Shorts
herumflanierte, wirkte Ruth wie eine junge Nonne.
Einer nach dem anderen trudelte
ein, und Dawn bildete natürlich sofort den Mittelpunkt der Gesellschaft. Die
Männer begrüßten uns sehr flüchtig, und für Ruth hatten sie überhaupt keinen
Blick übrig.
Anne arrangierte sofort ein
Spiel. Dawn und David traten gegen Ruth und Jim zu einem gemischten Doppel an.
Amüsiert hörte ich Pauls energische Stimme von der Veranda herübertönen:
»Kannst du nicht endlich hören, Christopher! Zum Donnerwetter!« Darauf wie ein
Echo Sams Stimme: »Laß das sein, Christina! Herr im Himmel, diese Kinder!«
Verwirrt blickte ich auf, als Larry mich in die Seite puffte. »Nun sieh dir das
an! Sie braucht sie ja gar nicht. Sie braucht sie weder beim Chauffieren noch
beim Tennisspielen. Ich frage dich allen Ernstes: Wozu braucht sie sie
überhaupt?«
Endlich ging mir ein Licht auf.
Ruth wirbelte auf dem Tennisplatz umher — ohne Brille.
»Kann sie denn ohne Brille
sehen?« wandte ich mich erstaunt an Miss Adams.
»Ich denke schon. Die Brille
ist wohl nur eine Angewohnheit. Eigentlich schade. Ruth hat sehr schöne Augen.«
»Schade nennen Sie das?« Larry
schnappte nach Luft. »Eine Schande ist es! Da muß etwas unternommen werden!«
Tantchen warf Larry einen pfiffigen
Blick zu. »So, so! Sie sticht wohl wieder einmal der Hafer? Na, dann wird wohl
auch sicher bald etwas unternommen werden, wie?« Und beide brachen in Gelächter
aus.
Ruth spielte recht gut. Ihr
Stil war zwar nicht so anmutig und elegant wie der Dawns, aber dafür zeigte sie
sich ausdauernder, und ihre Rückhand war außerordentlich kräftig. Jedenfalls
schien es ihr keine Schwierigkeit zu machen, ohne Brille den Ball zu erkennen.
Als die Partie vorüber war — 6:4
für Ruth und Jim — , kamen die vier Spieler zu uns herüber. Betroffen stellte
ich fest, daß Ruth ausnehmend hübsch aussah: das blasse Gesicht lebhaft
gerötet, die strenge Frisur gelockert, so daß sich ihr Haar im Nacken in
entzückende Wellen legte, mit strahlenden Augen. Möglicherweise zeigten ihre
Augen immer diesen strahlenden Glanz, aber durch diese entsetzliche Brille
hatte das ja bisher kein Mensch feststellen können.
Larry ergriff augenblicklich
die Initiative. Als Ruth die schreckliche Brille wieder aufsetzen wollte,
meinte Larry leichthin: »Ach, zeigen Sie doch einmal her. Ich habe schon immer
gern wissen wollen, wie man durch eine Brille sieht.« Damit setzte sie sich das
scheußliche Ding auf die Nase.
»Aber die Gläser sind ja ganz
schwach...«, murmelte sie erstaunt. »Gar nichts verschwommen — und ich habe
doch völlig normale Augen. Sehen Sie denn tatsächlich schlecht,
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