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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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sein könnten.«
Obwohl die Drohung nicht direkt ausgesprochen wurde,
hatte Caroline doch das Gefühl, als hielte ihr jemand ein
Messer an die Kehle. »Selbstverständlich kann ich einspringen,
Claire«, sagte sie, wobei sie sich alle Mühe gab, ihre
Niederlage wie ein großzügige Geste klingen zu lassen. »Um
ein Uhr bin ich im Geschäft.«
Sie legte auf, ließ ihre Hand aber noch einen Moment auf
dem Hörer liegen. Was noch?, dachte sie.
Was könnte noch schief gehen?
Es war, als hätte ihr Gedanke das Telefon zum Klingeln
animiert, und sie riss die Finger vom Hörer, als habe sie sich
daran verbrannt. Das Telefon klingelte ein zweites Mal, dann
ein drittes, aber Caroline stand einfach da und starrte den
Apparat stumm an. Es ist mir egal, wer dran ist, dachte sie. Und es ist mir egal, was jemand von mir will. Mir ist alles zu
viel. Mir wächst das alles über den Kopf. Doch als dieser
stumme Monolog in ihrem Bewusstsein Form annahm, wehrte
sie sie ab. Ich schaffe das schon, entschied sie. Was immer es
ist, ich schaffe es. Für alle Eventualitäten gerüstet, nahm sie
abermals den Hörer ab. »Hallo?«
»Caroline?«
Als sie Andrea Costanzas Stimme am anderen Ende
erkannte, entspannte sie sich augenblicklich. Sie hatte Andrea
vor fünfzehn Jahren auf dem Hunter College kennen gelernt,
und obwohl Andrea es nicht gut geheißen hatte, dass Caroline
das College verließ, um Brad Evans zu heiraten, waren sie
Freundinnen geblieben. Und seit Andrea vor fünf Jahren ganz
in ihre Nähe gezogen war, hatte sich ihre Freundschaft noch
vertieft. »Dem Himmel sei Dank«, stieß sie seufzend hervor.
»Du weißt ja gar nicht, wie gut es tut, eine freundliche Stimme
zu hören!«
»Tja, wie wäre es dann mit drei freundlichen Stimmen zum
Lunch am Dienstag?«
»Drei?«
»Bev hat gerade angerufen. Sie und Rochelle machen sich
Sorgen um dich.«
Beverly Amondson und Rochelle Newman waren die beiden
anderen Frauen, die Caroline als ihre besten Freundinnen
betrachtete – oder bis vor kurzem betrachtet hatte, denn es
schien, als hörte sie kaum noch von ihnen. »Sie fürchten sich
vor dir«, hatte Andrea ihr vor einem Monat erklärt. »Du bist
jetzt eine Singlefrau. Und als solche stellst du für sie eine
Bedrohung dar.« Sie hatte über Carolines schockierten
Gesichtsausdruck gelacht. »Ach komm, wach auf, Caroline!
Warum, glaubst du, wurde ich nie eingeladen, wenn Rochelle
ihre reizenden, ach so gemütlichen Abendessen gab? Das
waren Pärchen-Aktivitäten, und ich war und bin nun mal nicht
Teil eines Pärchens. Und du nun auch nicht mehr. Daher
Schluss mit Einladungen.«
»Aber das ist doch Unsinn! Warum sollte ich eine
Bedrohung darstellen?«
»Weil naturgemäß verheiratete Frauen in den nicht
verheirateten Frauen Rivalinnen sehen«, verkündete Andrea.
»Du warst die rühmliche Ausnahme und hast dir wegen mir nie
Gedanken gemacht. Und versteh mich nicht falsch. Ich mag
Bev und Rochelle. Aber ist dir nie aufgefallen, dass sie nie
Frauen einladen, die noch zu haben wären, wenn ihre Männer
dabei sind? Zum Lunch oder für einen gepflegten Weibertratsch bin ich gut, aber das war’s auch. Und jetzt gehörst du
ebenfalls zu dieser Risikogruppe. Wart’s nur ab.«
Wie sich herausstellte, sollte Andrea Recht behalten:
Innerhalb weniger Wochen nach Brads Tod begannen die
Einladungen der Amondsons und der Newmans merklich
weniger zu werden.
»Nun, du kannst ihnen ausrichten, dass ich noch am Leben
bin, wenn auch nicht in Höchstform«, sagte Caroline jetzt und
wünschte im nächsten Moment, dass es ihr gelungen wäre, ein
bisschen fröhlicher zu klingen, auch wenn es ihr miserabel
ging.
»Dann sollte dich das ein wenig aufheitern. Bev schlägt
nämlich vor, dass wir uns alle bei Cipriani treffen.«
Caroline brach in schallendes Gelächter aus. »Harry Cipriani?«, wiederholte sie. »Im Sherry Netherland? Du musst
übergeschnappt sein – das kannst du dir doch gar nicht leisten,
und ich schon überhaupt nicht!«
»Gut, aber Bev und Rochelle können«, gab Andrea
ungerührt zurück. »Sie mögen zwar sonst in ihrer kleinen
Geldwelt leben, aber sie wissen, dass wir da nicht mitspielen.
Sie laden uns ein!«
»Na prima, jetzt bin ich zwar von der Dinner-Liste
gestrichen, dafür aber auf die Almosenempfänger-Liste gesetzt
worden!«, höhnte Caroline bitter und bereute ihre Worte schon
im nächsten Moment. »Ach, Andrea, entschuldige – das war
nicht so gemeint, wie es sich angehört

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