Mitternachtsstimmen
Duft von
Lauries Waffeln in die Nase stieg, und das warme Licht eines
Frühlingssamstagmorgens das Schlafzimmer durchflutete,
schüttelte Caroline die letzten Bande ihres Traums ab.
»Wir schaffen das«, ermunterte sie sich.
Sie wünschte nur, sie wäre sich dessen so sicher, wie die
Worte klangen.
Caroline spürte die Spannung, kaum dass sie die Küche
betreten hatte. Ryan saß mit tief gefurchter Stirn am Tisch und
funkelte seine Schwester wütend an. Laurie, die in drei
Monaten dreizehn wurde, war immer noch nicht der Phase
entwachsen, wo es ihr ein diebisches Vergnügen bereitete,
ihren Bruder auf die Palme zu bringen. Und an diesem Morgen
griff sie dafür zu einer Taktik, die noch nie versagt hatte: Sie
tat einfach so, als bemerkte sie nicht, dass er stinksauer auf sie
war. Dafür schenkte sie ihrer Mutter ihr strahlendstes Lächeln,
das, wie Caroline wusste, nur den einen Zweck verfolgte, sie in
dem Streit, der sich in den vergangenen zehn Minuten, seit
Ryan das Schlafzimmer verlassen hatte, zwischen ihnen
entwickelt hatte, zu ihrer Verbündeten zu machen.
Kopfschüttelnd betrachtete sie den Teller mit der in Ahornsirup
schwimmenden Waffel, den Laurie vor sich stehen hatte,
schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, setzte sich, schaute Ryan
an und ließ ihren Blick schließlich auf Laurie ruhen. »Also,
was war hier los?«, fragte sie.
Lauries Lächeln verblasste eine Spur, doch sie gab sich
Mühe, es nicht restlos zu verlieren. »Nichts!«, erwiderte sie
empört und hob mit übertriebener Unschuldsmiene die
Schultern. »Ich weiß auch nicht, was er schon wieder hat!«
Ryan schaffte es, noch finsterer dreinzuschauen. »Sie sagt,
dass wir in den Zoo gehen. Aber du hast gesagt, dass ich
vormittags Baseball spielen kann. Dad und ich haben immer
am Samstag Baseball gespielt, und am Nachmittag soll ich ein
paar Schulfreunde zum Fußballspielen –«
»Warum musst du Baseball und Fußball spielen?«, krähte
Laurie dazwischen. »Warum kannst du nicht was anderes
machen? Warum kannst du nicht mal das tun, was Mom und
mir Spaß macht?«
»Das muss ich nicht!«, brauste Ryan trotzig auf. »Wenn Dad
noch da wäre –«
Diesmal unterbrach Caroline den Jungen. »Er ist aber nicht
da.« Ihre Stimme klang zwar belegt, doch es gelang ihr, die
Tränen zurückzuhalten. Der Samstag – besonders so ein
herrlicher Samstag wie dieser – war immer ihr Lieblingstag
gewesen. Bevor die Kinder auf der Welt waren, als sie noch in
dem kleinen Apartment in der Nähe der Columbia University
wohnten, hatten Brad und sie endlose Spaziergänge unternommen, die Stadt erforscht und eine geeignete Nachbarschaft
gesucht, in der sie ihre Kinder aufziehen wollten. Kurz vor
Lauries Geburt hatten sie die Wohnung entdeckt, in der sie und
die Kinder auch jetzt noch wohnten, nur einen Häuserblock
vom Park entfernt, in einer Straße, die zwar nicht so ruhig war
wie die auf der anderen Seite des Parks, jedoch längst nicht so
laut wie manche der West Side. Nach Ryans Geburt hatten sie
ihre Samstage überwiegend im Park verbracht, wo sie schnell
Kontakt zu anderen jungen Familien mit Kleinkindern fanden.
Nach Brads Tod hatte Caroline sich nach Kräften bemüht, die
Familienaktivitäten aufrecht zu halten, doch zwangsläufig war
nichts mehr so wie früher. Obwohl Brad im vergangenen
Herbst damit angefangen hatte, Ryan nach der Schule allein in
den Park gehen zu lassen, um mit Freunden Baseball oder
Fußball zu spielen, konnte Caroline die Vorstellung nicht
ertragen, dass eines ihrer Kinder sich unbeaufsichtigt dort
aufhielt. Ryan gefiel diese Einschränkung natürlich nicht, aber
er fand sich damit ab, so lange Caroline samstags mit ihm in
den Park ging. Laurie jedoch, die vergessen hatte, dass sie bis
zum letzten Sommer genau so gern Baseball gespielt hatte wie
ihr Bruder, war jetzt in einem Alter, wo sie mit ihrem kleinen
Bruder so wenig wie möglich zu tun haben wollte. Aus diesem
Grund geriet nun jeder Samstag zu einem Tauziehen zwischen
den beiden, mit Caroline in der undankbaren Position, es
keinem der beiden Recht machen zu können. Aber sie durfte
nicht aufgeben. »Wie wäre es mit einem Kompromiss?«,
schlug sie vor. »Wir beide schauen Ryan heute Vormittag beim
Spielen zu, gehen dann alle zusammen in den Zoo, und
anschließend bleibt vielleicht noch Zeit, dass Ryan mit seinen
Freunden Fußball spielen kann.«
Jetzt schwand auch der Rest von Lauries Lächeln dahin.
»Der Zoo im
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