Mittsommerzauber
arbeiten.«
»Keine Sorge«, warf Britta leichthin ein. »Hier hat sie Arbeit genug. Bis dann, Henning.«
»Gute Fahrt«, ergänzte Eva eilig.
Henning betrachtete dies offenbar als endgültiges Zeichen für seinen Aufbruch, denn er brauchte keine drei Se-künden, um das Fenster zu schließen und den Motor zu starten. Er winkte Eva über die Schulter zu, während er in einem aufspritzenden Schauer von Kieseln davonfuhr. Eva spürte, wie ihr zwei oder drei der Steinchen gegen die Schienbeine schlugen, doch sie wich nicht zurück. Immer noch den Arm um Brittas Schultern gelegt, schaute sie dem Wagen nach, bis er um die nächste Biegung verschwunden war.
*
»Und jetzt?«, fragte Britta.
»Jetzt ist er weg«, sagte Eva überflüssigerweise.
»Ja, er ist weg.« Es klang abwartend, so, als wollte Britta ihrer Freundin Gelegenheit geben, über ihre Gefühle zu sprechen. Doch danach stand Eva nicht der Sinn.
»Also dann«, sagte sie entschlossen. »Ich würde sagen, jetzt gibt es erst mal ein super Frühstück!«
»Gute Idee«, meinte Britta gelassen.
Gemeinsam gingen sie zurück zum Haus. Eva dachte darüber nach, wie lange es her war, dass sie Henning das letzte Mal vermisst hatte. Wann war das gewesen? Im letzten Dezember vielleicht? Damals hatte sie Britta und Peter in der Zeit zwischen Lucia-Fest und Heiligabend beim Einrichten und Dekorieren des Hauses geholfen. Sie hatten die Wände gestrichen, die Küche eingebaut und Gardinen aufgehängt. Später hatten sie gemeinsam die Räume mit Stechpalmen geschmückt und im Wald Kaminholz geschlagen. Henning hatte versprochen, an Heiligabend nachzukommen, doch daraus wurde nichts, weil er zu viel Arbeit hatte. Am zweiten Weihnachtstag hatte es dann an der Tür gepoltert, und in einer aufstiebenden Wolke aus Schnee war Henning doch noch aufgetaucht, mit einem
Sack voller skurriler Geschenke. Es war ein verspätetes, aber ausgelassenes Julklapp geworden, mit Rumpunsch, gebackenen Äpfeln und viel guter Laune. Sie hatten zusammen gelacht und gefeiert und abends stundenlang vor dem Kamin gesessen.
Eva kam es vor, als sei es hundert Jahre her. Wie konnte sich alles seitdem so sehr verändert haben?
Sie seufzte, während sie Britta zur Haustür folgte. Die Morgensonne tauchte die Fassade in ein strahlendes Licht und ließ das mattgelbe Mauerwerk wie altes Gold leuchten. Rechts und links vom Eingang setzten blühende Hibiskusbüsche in großen Terrakottatöpfen farbige Akzente. Zusammen mit den ebenfalls in Pflanzkübeln wachsenden Oleander- und Rosmarinsträuchern verliehen sie dem Vorgarten ein beinahe mediterranes Flair.
Britta besaß das, was Hobbygärtner und alle, die es gerne wären, als grünen Daumen bezeichnen. Sie umhegte die Topfpflanzen vor dem Haus mit demselben Eifer, den sie auch dem kleinen Gemüsegarten vor der Küche und der bunten Kakteensammlung in ihrem Wintergarten angedeihen ließ. Wo immer sie sich aufhielt, schien ihre Umgebung sich auf wundersame Weise in ein grünes Paradies zu verwandeln.
Hin und wieder wünschte Eva sich, nur einen kleinen Teil der Entschlossenheit zu besitzen, mit der Britta ihr Leben managte. Ihre Freundin schien immer mit traum-wandlerischer Sicherheit im Voraus zu wissen, was sie als Nächstes tun würde. Im Frühling des vergangenen Jahres hatte sie Peter kaum kennen gelernt, als sie auch schon sicher war, dass er der Vater ihrer Kinder sein würde. Als Malin, seine Tante, Britta kurz nach der Hochzeit im letzten Sommer angeboten hatte, ihren Laden zu übernehmen, hatte Britta sofort zugestimmt. Aus dem Andenkenshop war inzwischen ein Geschäft mit Kunsthandwerk für gehobene Ansprüche geworden, das sich überregionaler Beliebtheit erfreute.
»Woran denkst du?«, fragte Britta, während sie sich in der Küche am Tisch niederließ, das Kreuz durchgedrückt und vorsichtig den dicken Bauch von der Tischkante wegschiebend.
»Vielleicht wünsche ich mir ja mehr Energie«, sagte Eva.
»Davon hast du mehr als genug«, widersprach Britta. »Wünsch dir lieber, sie sinnvoll einzusetzen.«
»Gute Idee.« Eva schaute sich in der Küche um. »Wie war das gleich mit dem Frühstück?«
»Oh, natürlich. Das Frühstück.« Britta machte Anstalten, wieder aufzustehen, doch Eva legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie auf den Stuhl zurück.
»Stopp. Du bleibst schön sitzen. Das fällt ab sofort in meine Zuständigkeit.«
Britta hob zu einem Protest an und schob den Stuhl zurück, doch Eva fiel ihr mit
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