Mittsommerzauber
zusammenschmiedete und zueinander hinzog. David stieß sich vom Gatter ab und sprang zu Boden. Gemächlich schlenderte er zu ihr hinüber. Ihr Haar wehte rettungslos zerzaust im Wind, und auf der Nase hatte sie eine breite Schmutzspur.
Komm her, meine hinreißende kleine Schäferin, dachte David. Und als hätte sie ihn gehört, kam sie lachend in seine Arme.
ENDE
Inselsommer
A ls Katarina auf die Uhr sah, war es Viertel vor zwölf. Schon Viertel vor zwölf!
»Mist. Das darf doch nicht wahr sein.« Hastig nahm sie den Strömling aus der Pfanne und legte ihn voller Sorgfalt auf den angewärmten Teller, auf dem schon eine zart angebratene Knoblauchrose und ein paar Zitronengrasstängel dekorativ drapiert waren. Sie betrachtete das Arrangement einen Moment lang kritisch. Der gebratene Ostseefisch sah köstlich aus mit seiner krossen Hülle, außerdem duftete er verführerisch. So verführerisch, dass Katarinas Kollege Hans vom anderen Ende der Küche, wo er gerade einen großen rosafleischigen Lachs ausnahm, schnuppernd zu ihr herübersah.
»Riecht lecker, Katarina. Aber ich komm nicht drauf, wonach?«
Katarina sah kurz zu ihm rüber. Normalerweise liebte sie dieses Quiz mit ihrem jungen Kollegen in der kleinen Küche des Restaurants Hjört, das im idyllischsten Winkel der Stockholmer Altstadt, der Gamla Stan, lag. Und meistens entwickelte sich ein munteres Frage-und-Antwort-Spiel zwischen ihnen, wenn sie wieder einmal etwas Neues ausprobiert hatte. Eine neue Gewürzkombination oder ein neues Öl zum Braten oder wenn sie schlichtes Gemüse wie Bohnen oder Karotten einfach einmal anders zubereitete. Hans bewunderte Katarina zutiefst. Im Grunde war er ein bisschen verliebt in die hübsche, junge Chefköchin, die mit Elan und Experimentierfreude die Küche des Hjört leitete.
Doch heute blockte sie das kulinarische Rededuell ab. Mit dem für sie typischen konzentrierten Blick begutachtete sie mit steil zusammengezogenen Augenbrauen das Arrangement auf dem Teller. Irgendetwas fehlte noch. Wenn sie nicht so unter Zeitdruck gestanden hätte, wäre sie sicher darauf gekommen. Aber jetzt musste sie einfach weg. Sie sah auf die Uhr. Zehn vor zwölf. Ungeduldig zerrte sie an den Bändern ihrer langen weißen Schürze, die sie um die schmale Taille gebunden hatte, und probierte gleichzeitig mit einem kleinen Löffel den Fischsud. Schmeckte wirklich sehr lecker. Doch trotzdem: Irgendetwas fehlte noch. Der letzte Pfiff.
In diesem Moment wurde die Küchentür aufgerissen, und Karin, die Bedienung, platzte herein.
»Zwei Fischsuppen für Tisch drei, zweimal die Muscheln mit Spinat für Tisch fünf. Und wo bleibt der Strömling, Kata? Der Gast hat schon danach gefragt.«
»Der soll sich nur nicht aufregen. Hast du ihm nicht gesagt, dass wir hier alles frisch zubereiten? Wenn er es eilig hat, soll er zu McDonald’s gehen.« Suchend irrte ihr Blick über die Arbeitsfläche. Klar, das war es. Das Tüpfelchen auf dem i. Sie riss eine leuchtend orange Blüte aus einem Strauß Gartenkresse, der für einen Salat bereitlag, und drapierte sie neben den Fisch. Das war es. Sie wandte sich hastig an Hans.
»Kannst du die Kartoffeln dazulegen, bitte?«
Katarina warf ihrer Kollegin, die noch im Türrahmen stand, die Schürze zu und schlüpfte in ihre Jeansjacke. Auf dem Weg nach draußen griff sie nach ihrer Umhängetasche aus olivgrünem Stoff. Die war so groß, dass ihr gesamter Hausrat darin Platz gehabt hätte.
Karin sah verblüfft auf die ihr zugeworfene Schürze, dann auf den Teller, auf den Hans jetzt sorgsam zwei kleine Kartoffeln legte. Genau abgezirkelt zwischen die Knoblauchrose und die Zitronengrasstängel.
»Was ist denn das schon wieder? Katarina, einfacher Strömling war die Bestellung.«
Katarina lachte sie vergnügt an. »Ist es auch... nach Thai-Art. Schmeckt wunderbar. Wirklich!«
Karins zweifelnder Blick sprach Bände. Diese Frau war irre. Wieso konnte sie sich nicht damit abfinden, dass im Hjört keine Experimente gefragt waren? Einfache schwedische Küche. Das war es, was die Gäste erwarteten.
»Wir sind kein Sterne-Lokal, wieso willst du das nicht begreifen?« Doch sie erhielt keine Antwort, zu oft schon hatten sie sich über Katarinas Ehrgeiz und ihre Lust am kreativen Kochen gestritten.
»Petersilie auf die Kartoffeln?«, wollte Hans fragen, als Katarina ihm schon das Wort abschnitt.
»Um Gottes willen. Keine Petersilie. Die beißt sich mit dem Zitronengras.«
Sie war jetzt fertig. Hastig griff sie
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