Modesty Blaise 04: Ein Gorilla für die Lady
ihren Kamelen. Es war ein starkes Zugmittel, und er verdünnte es, um eine Blasenbildung zu vermeiden.
In seinen Vorräten waren noch immer ein paar trockene Stücke Zwieback. Er zerkrümelte einige davon, rollte die Krümel in ein Stück Stoff von seinem Hemd und legte sie zum Weichwerden ins Wasser. Zehn Minuten später ging er mit dem in einer kleinen Halterung aus Schnur hängenden Behälter voll kochendem Wasser hinunter in den Raum, wo Modesty lag. Ihre Augen öffneten sich, als er hereinkam.
Sie erschien hager durch die Wirkung des Fiebers und nach den Anstrengungen des Wüstenmarsches. Unter der tiefen Bräune war ihr Gesicht gerötet.
Sie lächelte ihn vage an, als er neben ihr niederkniete, und sagte: «Hallo, Willielieb.»
«’allo, Prinzessin.»
Er fing an, die Binde von ihrem Arm abzuweichen.
Sie löste sich. Der große Fleck gelber Substanz in der Mitte der Schwellung ließ ihn heftig den Atem einziehen.
Er brachte ein Lächeln zustande und sagte: «Nicht allzu schlimm. Allerdings wird es jetzt ein bißchen weh tun, Prinzessin.»
«Wirklich?» Ihre Stimme war weit weg. «Schon gut, Willie.»
Er nahm das frisch geschliffene und sterilisierte Messer aus dem dampfenden Wasserbehälter. Dies war schon die dritte Wasserabkochung; in der zweiten hatte er sich die Hände krebsrot gebrüht. Vorsichtig machte er mit der Messerspitze sechs kleine Einschnitte in das geschwollene Fleisch, dann öffnete er die Mitte mit einem längeren Schnitt. Modesty rührte sich nicht und sprach kein Wort; eine plötzliche Leere in ihren Augen war die einzige Reaktion. Er tupfte und säuberte; drückte, tupfte und säuberte von neuem. Und noch einmal. Unmöglich, jetzt behutsam zu sein, unmöglich, aufzuhören, ehe die Wunde zumindest für das Auge sauber war.
Eine Ewigkeit später wischte er den Rest des Eiters weg und fuhr dann fort, das Fleisch zu bearbeiten und zu drücken, bis das Blut frei herausrann. «Kannst du deinen Arm hochhalten, während ich einen Breiumschlag drauflege? Laß ihn aber mit nichts in Berührung kommen.»
«Gut, Willie.» Die gleiche sanfte, ferne Stimme.
Die durchtränkten Zwiebackbrocken in dem Stück Stoff waren jetzt ein weicher Brei. Er drückte die überflüssige Nässe heraus und verbrannte sich dabei die Finger, öffnete dann den Stoffetzen und träufelte verdünnten Euphorbiensaft mit einem sterilen Lappen über den Zwiebackbrei. Als er den heißen Breiumschlag auf die Wunde legte, blinzelte sie einmal; aber das war alles.
Er nahm zwei Streifen sterilisierten Stoff und band die Auflage damit fest. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, als er sich schließlich in Hockstellung niederließ. Er würde die Wunde alle zwei Stunden mit einem frischen Breiumschlag versehen, soweit die Zwiebackstücke reichten. Danach würde er den Umschlag liegen lassen und einen Hemdärmel mit heißem Sand benutzen, um die treibende Behandlung fortzusetzen. Das müßte das Gift herausziehen. Er wußte, daß die Widerstandskraft ihres Körpers gegen Infektionen sehr hoch war, und zusammen mit der Heilwirkung der Euphorbia bestand eine gute Chance, daß die Krise nach weiteren 24 Stunden überstanden war. Er wußte nicht, ob er das Bestmögliche getan hatte, er wußte nur, daß es das Beste war, das er hatte tun können.
«Du wirst viel trinken müssen, Prinzessin», sagte er.
«Mach dir keine Sorgen wegen des Wassers. Es ist genug da, um eine Truppe von dreißig Mann zu versorgen.»
«Gut, Willie.»
Er hob ihren Kopf an und hielt die Wasserflasche immer wieder an ihre Lippen, während sie in langsamen, aber tiefen Zügen trank.
«So ist’s brav. Und jetzt schläfst du schön.»
«Gut, Willie.» Ihre Augen fielen zu.
Er betrachtete sie eine Weile und ging dann in den Hof, um aus seiner Decke ein Seil zu machen, das lang genug war, damit er die Keksschachtel in den Brunnen hinunterlassen konnte.
Eine Stunde vor Anbruch der Morgendämmerung des folgenden Tages wußte Willie Garvin endlich, daß Modesty in Sicherheit war. Die Schwellung war zurückgegangen, und die ominösen roten Streifen, die sich von der Schwellung ausgebreitet hatten, waren verschwunden. Das Fieber war zurückgegangen, und sie schlief jetzt ruhig. Er wußte, daß sie beim Erwachen so schwach wie ein Baby sein würde. Aber das würde rasch vergehen. Sie besaß in der Wiedergewinnung ihrer Kräfte die Energie einer Katze, und seit die Infektion abgeklungen war, stand dieser Energie nichts im Wege.
Er würde Nahrung finden
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