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Moonsurfer

Moonsurfer

Titel: Moonsurfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Birck
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Schild im Wind zittert: »Dead End«.
    Sie biegen ab und rollen unter den mächtigen Ästen riesiger, uralter Banyon-Bäume hindurch, von denen weißes Moos herunterfließt wie tausend kleine erstarrte Wasserfälle.
    Der Wagen kommt auf sandig weichem Boden am Ende der Sackgasse zum Stehen. Susan Waves dreht den Zündschlüssel zurück. Der Motor erstirbt und der Lichtkegel des Vans lässt das Geflecht eines langen Drahtzaunes erkennen. Der Zaun ist von Schlingpflanzen durchzogen und wird auf halber Strecke von einem windschiefen Tor unterbrochen. Notdürftig mit rostigem Draht daran befestigt, ein noch schieferes Schild: »Private Property«.
    Dahinter ist nichts als Dschungel zu erkennen. Steven kneift die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und neigt sich weit nach vorne, als ob das etwas nützen würde. Er versucht, ein Haus im Dunkel des Dickichts auszumachen.
    Gespenstische Stille.
    »Der Sturm ist weg. Das unheimliche Lachen auch!«, flüstert Steven. »Wo ist Dads Porsche?«
    »Bestimmt irgendwo sicher und trocken verstaut, während wir hier um unser Überleben kämpfen«, lästert seine Mutter. »Jedenfalls haben wir uns definitiv verfahren!Hier gibt’s nur Gestrüpp, aber kein Haus, schon gar nicht unser Strandhaus!«
    »Ich geh nachsehen!«
    »Du wirst einen Teufel …«, protestiert seine Mutter, aber Steven hat den Schutz des Fahrzeuges bereits verlassen.
    Er untersucht den Gartenzaun und findet einen Zugang. Dahinter ist es stockduster, also kehrt er zum Auto zurück.
    »Haben wir ’ne Taschenlampe?«
    »Irgendwo in den Koffern, aber …«
    »Dann eben ein Feuerzeug …«
    »Steig wieder ein!«
    Doch Steven ignoriert seine Mutter: »Willst du mich etwa ohne Licht da hineingehen lassen?«
    Kurz darauf ist Steven wieder am Tor und versucht vorsichtig, das rostige Gitter aufzudrücken. Es quietscht erbärmlich, lässt sich aber ein Stück weit aufschieben, gerade so viel, dass er sich durch die schmale Öffnung zwängen kann.
Auf dem Grundstück, überwuchert vom Dickicht, schwarze Nacht, Totenstille
    Steven lässt das Feuerzeug seiner Mutter aufflammen. Vorsichtig betritt er die Überreste einiger Steinplatten, die kaum mehr zu erkennen sind. Er duckt sich unter dem Spanish-Moss hindurch, das von den Ästen der uralten Bäume in langen silbernen Streifen herunterfließt. Immer wieder streichen die hängenden Moose nasskaltüber seine Schultern, so als würden tote, kraftlose Finger aus einer Geisterwelt nach ihm greifen. Er folgt dem Weg, der jetzt nur noch aus kalkweißem Muschelkies besteht.
    Steven muss sich durch einen immer dichter werdenden Dschungel vorarbeiten, über Wurzeln, zersplitterte Äste und vertrocknete Palmwedel. Hier scheint schon seit Ewigkeiten kein Mensch mehr entlanggegangen zu sein. Der Haupteingang kann das jedenfalls nicht sein   …, überlegt er, während er das Feuerzeug hoch über seinen Kopf hebt, um in die Dunkelheit zu spähen.
    Er stolpert, stürzt beinahe in ein Feld hellgrauer Brocken am Fuße eines Palmenstammes. Seltsame kleine bleiche Felsen, rund wie Melonen oderwie  … Totenschädel.
    Einen Augenblick denkt Steven an Flucht, dann aber fällt ihm wieder sein Vater ein, der vielleicht genau das von ihm erwartet.
    Vielleicht ist das Ganze hier ja nur ein mieser Scherz von ihm? Was, wenn in dem Moment, in dem ich abhaue, das Licht angeht, und Dad sich über mich kaputtlacht? Er blickt sich um, aber das Einzige, was er erkennen kann, ist das Unterholz des Dschungels. Angestrengt horcht er in die Dunkelheit. Bis auf das Rauschen der nahen Brandung kann er nichts hören. Kein Kichern, kein mühsam unterdrücktes Hüsteln, nichts.
    Also nimmt Steven all seinen Mut zusammen, und kickt eines der runden Dinger am Boden mit der Fußspitze an.
    Kokosnüsse, du Idiot   …
    Er holt ein paar Mal tief Luft, dann arbeitet er sich weiter.
    Kurz darauf wird der Pfad abrupt nach rechts gezwungen.
    Eine Mauer! Wo eine Mauer ist, könnte auch ein Haus sein!
    Einige Schritte später windet sich Steven vorsichtig durch ein überwuchertes Tor und betritt einen kleinen Innenhof.
    In der Mitte des Hofes ein Brunnen, aus dem Gräser und Farne ragen wie aus einer Vase, die ein Riese hier vor Jahrhunderten abgestellt hat. Zu seiner Linken meint Steven die schattenhaften Umrisse brettervernagelter Fensteröffnungen ausmachen zu können. Auch diese wurden offensichtlich schon seit sehr langer Zeit nicht mehr benutzt.
    Steven hält das Feuerzeug hoch über seinen Kopf. Er kann die Mauern

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