Mord in Der Noris
Bei
einigen ist ihnen das auch gelungen. Bei mir nicht. Ich habe mich aus dieser
Geschichte immer rausgehalten. Ich brauche keinen weiteren Unfrieden im Haus.
Mir hat der schon gelangt.«
»Das glaube ich. Das hätte ich an Ihrer Stelle auch so
gemacht. Danke für Ihre Offenheit.«
»Das war aber«, Frau Vogel legte ihre rechte Hand auf
Paulas Unterarm, eine Geste, die sie zum Bleiben auffordern sollte, »noch nicht
alles. Herr Holzbauer hat auch danach noch keine Ruhe gegeben. Immer wieder hat
er, wenn er durchs Haus lief, ganz laut gesagt, sein Balkon sei nicht
benutzbar, so wie es da nach Rauch stinke, das halte ja kein Mensch aus. Und er
hat sich bei jeder Eigentümerversammlung über Frau Platzer beschwert,
schriftlich beschwert. Aber das wissen Sie ja schon.«
Frau Vogel spielte damit auf Paulas Äußerung an, die
sich zwischen frei erfunden und Vermutung bewegt hatte, die sich aber jetzt als
richtig erwies.
»Nur in etwa. Ich würde es gerne von Ihnen noch ausführlicher
erfahren.«
»Na ja, er hat halt jedes Jahr was anderes zu meckern
gehabt. Vor zwei Jahren waren es die Pflanzen auf Frau Platzers Balkon. Die
würden zu groß werden und das Gesamtbild der Hausrückseite verschandeln. Vor
einem Jahr hat er einen Gutachter verlangt, der in Frau Platzers Wohnung gehen
sollte, um dort festzustellen, ob es da irgendwelches Ungeziefer gäbe. Den
Gutachter hätte dann sie zahlen müssen. Darüber hat sich Frau Platzer fast so
aufgeregt wie damals, als ihre Sachen vor der Kellertür verschwunden waren.
Solche Dinge eben.«
Paula hatte genug gehört. Das würde für eine
zielgerichtete stramme Vernehmung des Adiletten-Trägers und Hypertonikers
vollkommen reichen.
»Eines noch, und dann sind Sie mich aber endlich los.
Frau Platzer hatte kein Auto, oder?«
»Nein. Nachdem ihr altes nicht mehr durch den TÜV gekommen war, hatte sie lange hin- und herüberlegt,
ob sie sich ein neues kaufen soll. Aber sie hatte doch kein Geld dafür, bei dem
bisschen Gehalt, das sie im Altersheim verdiente. Sie hat mich dann gefragt, ob
sie meins ab und zu ausleihen könne. Sie würde es auch nicht oft brauchen. Nur
einmal in der Woche. Am Wochenende eben, wenn sie ihre Mutter besuchen fuhr.
Ich hab ihr den Golf natürlich gern gegeben. Ich brauche mein Auto ja nur sehr
selten. Eigentlich nur zum Einkaufen.«
»Hat sie sich dafür denn revanchiert?«
Elisabeth Vogel sah sie erstaunt an. »Revanchiert,
wofür?«
»Na, sich in irgendeiner Weise für Ihre Großzügigkeit
erkenntlich gezeigt.«
»Ach«, Frau Vogel machte eine wegwerfende
Handbewegung, »für die kurze Stadtfahrt. Dafür hätte ich sowieso nichts
genommen. Das ist doch selbstverständlich.«
»Nein, Frau Vogel, da muss ich widersprechen. Das ist
nicht selbstverständlich. Und zwar ganz und gar nicht.«
Ihr Mitgefühl für die arglos ausgenutzte Nachbarin
bündelte Paula in einem Satz, wie sie ihn selbst erst vor Kurzem auf einer
Parkbank am nahen Platnersberg zu hören bekommen hatte.
»Wissen Sie, dass Sie ein guter Mensch sind?«, sagte
sie. »Und solche Menschen werden gerne von anderen missbraucht.«
Es war offensichtlich, dass sich Frau Vogel über
dieses Kompliment freute. »Ach, da passe ich schon auf.«
Auch in diesem Punkt hätte Paula ihr gern und vehement
widersprochen. Doch da sie jetzt das dringende Bedürfnis verspürte, heimzufahren,
in ihre leere Wohnung mit dem vollen Kühlschrank, beließ sie es dabei und
verabschiedete sich von Frau Vogel. Diese riet ihr noch, bei dem Gespräch mit
Herrn Holzbauer auf der Hut zu sein.
»Das ist ein sehr schwieriger Mensch, müssen Sie
wissen.«
»Da brauchen Sie sich um mich keine Gedanken zu
machen, schwierig kann ich auch sein. Man könnte auch sagen, ich bin eine
Meisterin im Schwierigsein – und vor allem im Schwierigkeiten-machen.«
Dann endlich stieg sie die Treppe zu Holzbauers
Wohnung hinauf. Sie klingelte und musste eine lange Weile warten, bis sich die
Tür endlich öffnete. Vor ihr stand eine füllige Frau mit tizianrot gefärbten
Haaren, einem bunt bedruckten, ärmellosen Kittel und Ohrgehängen mit winzigen
Granatsteinen. Die Frau war ungefähr in ihrem Alter und, wie es schien, auch in
ungefähr ihrer derzeitigen übellaunigen Verfassung.
»Sie also sind die Kommissarin, derentwegen wir hier
unsere Wohnung an einem Samstag nicht verlassen dürfen?«
Sie nickte. »Ja, Steiner ist mein Name. Von der
Mordkommission.«
»Dann möchte ich jetzt als Erstes einmal Ihren Ausweis
sehen.«
Sie
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