Morgen des Zorns
Papierkorb wirfst. Ich schreibe dir von Hand einen Brief, und auch die darin enthaltenen Gefühle sind mit der Hand geschrieben.« Dann setzte er hinzu, dass der Frühling in seiner Heimat dieses Jahr so früh eingesetzt habe, dass er bei seiner Ankunft dort den Anblick der weißen Mandelblüte nicht mehr habe genießen können. Was seine Mutter betreffe, so könne sie nicht mehr gut sehen, und er vermute, dass sie an einer Erbkrankheit leide, die auch ihn jederzeit befallen könne. Aber nun sei er zurück und sehne sich danach, sie zu sehen und sie wieder einmal ins Relais d’Arcachon einzuladen.
Er beglich seine Rechnung und stellte sich neben die Eingangstür, die auf die von Menschen wimmelnde Straße führte. Wieder hätte er nach dem ersten Schritt am liebsten kehrtgemacht. Er betrachtete den Strom der Passanten. Sie machten ihm Angst, und er hatte einen Kloß in der Kehle. Er fürchtete, die Menschen könnten ihn mit sich reißen. Wie immer sahen sie aus, als bewegten sie sich, dicht an dicht gedrängt, im Gleichschritt. Sie erinnerten ihn an die Reihen von Soldaten, die früher in große Schlachten gezogen waren, ein gemeinsames Ziel vor Augen und in Eile, um rechtzeitig anzukommen. Es gab kein Entrinnen. Er setzte einen Fuß auf den Bürgersteig, wie ein Schwimmer, der zuerst den Fuß ins Wasser steckt, um die Temperatur zu prüfen. Dann legte er eine kurze Strecke zurück, doch er erstickte fast. Unwillkürlich betrat er ein Bekleidungsgeschäft. Er brauchte ein neues Jackett. Vor dem Spiegel probierte und posierte er, bis sein Aussehen ihn schließlich zufriedenstellte. Er hatte zwischen zwei Farben geschwankt, schwarz oder weiß, und sich viel Zeit für die Details genommen, die richtige Größe, den geeigneten Schnitt. Er suchte noch eine farblich passende Krawatte und Strümpfe dazu aus. Aber wie immer fehlte etwas an seinem Auftritt, irgendeine Kleinigkeit. So wie an jeder Garderobe, die er aussuchte, wie an seinem hastigen französischen Akzent, seinem modulierten Englisch, wie an seinem ganzen früheren Leben – seinen krummen, abgebrochenen Studiengängen, den aufeinanderfolgenden Liebesabenteuern, an den unzähligen kleinen Jobs, die er ausgeübt hatte, und auch an der plötzlichen Rückkehr zu seiner Mutter, in seine Heimat, und an dem, was er von dieser Reise mitgebracht hatte, bei alldem gab es immer einen kleinen Mangel, ein fehlendes Element, eine unvollkommene Art zu stehen, eine ungewöhnliche Art zu schauen, eine Leere, ein Luftzug zwischen seinem Ziel und den Mühen, die er zum Erreichen dieses Ziels aufwendete, eine Luke, die er, ohne es zu wissen, immer ganz weit offen ließ, um jederzeit die Flucht ergreifen zu können. Elia, der Sohn von Jûssef al-Kfûri, war unvollendet.
Er blieb einen Augenblick an der Tür des Bekleidungsgeschäftes stehen. Er war jetzt bereit für die Konfrontation, und ganz unvermittelt kam der Geschmack des Ziegenkäses zurück, der Geruch der Ziegen mit dem langen schwarzen Fell. Er hängte sich das weinrot glänzende Akkordeon um, holte tief Luft, wie ein Schwimmer, der sich darauf vorbereitet abzutauchen, und schob sich zwischen die Passanten. Doch bald schon verschwand das Bedürfnis zu atmen, er vergaß seinen Körper und überließ sich dem Strom, mitten auf dem Bürgersteig, ohne anzuhalten.
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